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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Kummer und Arbeit,
    Elend und Unglück vorzeitig alt gewordenen
    Menschen mit hilflosen Händen voreinander
    stehen, nichts mehr füreinander zu tun
    vermögen und wie aus den wenigen Sätzen,
    die sie miteinander wechseln, ihr ganzes
    verlorenes Leben aufscheint, dieses bißchen
    Glück, das sie nur einmal ahnen, aber nicht
    ergreifen durften, und wie Gervaise dann nach
    Hause schlurft und in ihrer Verzweiflung
    geradezu die Verkörperung des Todes, den
    alten Bazouge, anruft – das sind Bilder, so echt
    und überzeugend, daß sie den Arbeiterbildern
    der Kollwitz an menschlich Erschütterndem in
    nichts nachstehen.
    Hatte doch auch Zola, ähnlich wie die
    berühmte Malerin, jahrelang mitten unter den
    Menschen gewohnt und gelebt, die er in
    diesem Roman wiedergab. Diesmal brauchte
    er in keinem Spezialwerk nachzuschlagen, um
    zu wissen, wie lange man von zehn Francs
    schlecht und recht (und meist mehr schlecht
    als recht) leben konnte, wie hoch die Mieten in
    diesen Elendsquartieren waren oder was man
    für ein Hemd bei der Büglerin zahlen mußte.
    Von Balzacs Werken hatte Engels gesagt, daß
    er selbst in den ökonomischen Details aus
    ihnen über die Epoche LouisPhilippes mehr
    erfahren habe als aus aller, einschlägigen
    Spezialliteratur, und die moderne
    literarhistorische Forschung konnte mit Recht
    darauf hinweisen, daß man selbst beim Verlust
    aller Spezialwerke über Handel, Gewerbe und
    Industrie, aller Geschichtsbücher und
    soziologischen Darstellungen der Zeit in
    Balzacs »Menschlicher Komödie« noch immer
    genügend Dokumentationsmaterial finden
    würde, um sich ein sehr genaues Bild dieser
    Epoche, bis in die Einzelheiten hinein eine
    exakte Vorstellung von der Einrichtung einer
    Bürgerwohnung, der Arbeitsweise einer
    Druckerei, vom Warensortiment eines
    Antiquitätenladens oder von der obligaten
    Speisefolge bei einem Galadiner im Faubourg
    SaintGermain machen zu können.
    Ähnliches gilt auch für Zola. Und dieses
    Durchweben der ganzen Darstellung mit einer
    Unmenge sachlicher und ökonomischer
    Details – wir erfahren genau, welche Eisen
    eine Wäscherin zum Bügeln einer Haube und
    welche zum Plätten eines Unterrocks
    verwendet, wie die Waschkojen in einem
    öffentlichen Waschhaus angelegt sind, was die
    Büglerinnen bei Frau Fauconnier verdienen
    oder die Nagelschmiede in Goujets Werkstatt,
    was ein Hausbesuch des Arztes kostet, was
    man für die Hebamme, die Waschfrau, für die
    Trauung, das Hochzeitsgedeck, das Begräbnis,
    die Möbel, die Tapeten, die Standuhr, die
    Kohlen, einen Schoppen Wein, ein Glas
    Schnaps zahlt und was man Trinkgeld in einer
    Kneipe gibt –, alles das verleiht den Bildern
    Zolas nicht nur dokumentarischen Wert,
    sondern macht sie zugleich noch greifbarer,
    plastischer, echter, erhöht beim Leser die
    Illusion selbst erlebter Wirklichkeit.
    Nicht zuletzt trug dazu auch die Sprache des
    Romans bei. Sie zu finden war nicht leicht
    gewesen. Galt es doch, die Stilhöhe der
    Gesamtdarstellung dem Charakter des
    Gegenstandes anzupassen und es zwischen den
    wechselnden Passagen der Beschreibungen,
    Dialoge und Erzählungen der handelnden
    Personen möglichst zu keinem Stilbruch
    kommen zu lassen. Zola war sich dieser
    Schwierigkeiten voll bewußt. In einem Brief
    vom 17.9.1875 an Paul Alexis, dem er in
    großen Linien sein Projekt mitteilt, vermerkt
    er ausdrücklich: »Bleibt noch der Stil offen,
    und der wird schwer zu finden sein.« Und auf
    den Stil kam er auch in seinen Verteidigungen
    des »Totschlägers« zurück, nun allerdings aus
    anderen Gründen.
    Hatte schon Figuren und Themenwahl großen
    Anstoß erregt, so brachte die sprachliche Form
    die Kritiker der führenden Tagesblätter; wie
    Albert Millaud, Henry Houssaye, M. de
    Pontmartin oder Jules Claretie, vollends zur
    Verzweiflung. Jene jedoch, die ein waches Ohr
    für neue, vielleicht gewagte, aber auf jeden
    Fall weiterführende literarische Experimente
    hatten, wie Huysmans, Wolff oder auch
    Edouard Rod, verteidigten diesen stilistischen
    Versuch. »Einige haben behauptet«, so
    schreibt Albert Wolff am 5.2.1877 im
    »Figaro«, »man müßte sich die Nase zustopfen
    vor dem Dreck, den der Autor des
    ›Totschlägers‹ aufwühlt; sie hätten aber besser
    daran getan, die Ohren aufzusperren, um sich
    Rechenschaft zu geben über die
    Ausdruckskraft, die die Verwendung der
    Arbeitersprache der Erzählung von Herrn Zola
    verleiht.« Endlich habe einer gewagt, seine
    Gestalten die wahre Sprache der

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