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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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Fläche zwischen den Hochhäusern. Ira und Simon kletterten auf einen der künstlichen Felsen, die den gepflasterten Teil des Platzes von jenem Teil abgrenzten, der als Park angelegt war. Stumm sahen sie auf die dichter werdende Menschenmenge hinab.
    »Siehst du das?« Simon zeigte Ira, was man von hier oben besonders gut beobachten konnte: Obwohl es für viele eine Abkürzung gewesen wäre, direkt am Tower entlangzugehen, mieden alle die Fläche direkt vor dem Haus. Es war, als hätte ein Riese mit einem Zirkel einen Kreis rund um den goldenen Hochhausturm gezogen und jedem Winzling verboten, einen Fuß über die Linie zu setzen. Jeder hielt sich an das Verbot.
    Ira stutzte erstaunt und nickte.
    »Komm.« Diesmal gab Simon den Ton an, und Ira folgte ihm. Sie durchquerten die Menge und näherten sich der freien Fläche vor dem Tower. An ihrem Rand blieben sie stehen. Keiner der vorbeihastenden Männer und Frauen beachtete sie, so wie auch niemand die kreisrunde freie Fläche rund um das Hochhaus zu bemerken schien. Auch Ira war sie nicht aufgefallen, bis Simon sie darauf hingewiesen hatte.
    Ira sah auf. »Was passiert, wenn wir weitergehen?«
    »Nichts.«
    »Sicher?«
    Simon schüttelte den Kopf.
    Ira tastete nach seiner Hand, dann schob sie vorsichtig einenFuß auf die freie Fläche. Nichts geschah. Auch Simon überschritt die unsichtbare Linie, ohne dass etwas passierte.
    Gemeinsam, Hand in Hand, gingen sie weiter, bis sie dicht vor dem Gebäude standen. Niemand beachtete sie, es war, als gäbe es sie gar nicht.
    »Und jetzt?«
    Wortlos hob Simon seine Hand und berührte mit den Fingerspitzen die Fassade. Sie war kalt, so wie am Vortag. Ein Schauer durchlief ihn. Dann legte er die gesamte Handfläche auf die Wand, einen kurzen Augenblick nur, bevor er seine Hand wieder zurückzog.
    Gespannt warteten sie, was geschah.
    Wie aus dem Nichts perlten plötzlich kleine Tröpfchen aus der Fassade, glitzernde Kügelchen, die größer wurden und weiterwuchsen, bis eine Hand aus Eiskristallen auf der glatten Fläche enstanden war.
    Ira warf Simon einen erstaunten Blick zu. Vorsichtig berührte sie mit ihrem Zeigefinger die Eishand. »Die ist ja kalt!« Sie war verblüfft. »Wie hast du das gemacht?«
    »Keine Ahnung. Es passiert einfach.«
    Nun legte auch Ira für einen Moment ihre Hand auf die Fassade, direkt neben die glitzernden Eiskristalle. Ihr Handabdruck blieb auf der glatten Fläche zurück wie ein Fingerabdruck auf einem Spiegel.
    Gespannt starrten sie auf die Stelle.
    Nichts geschah.
    Die Eishand schmolz derweil, das Wasser tropfte zu Boden und verdampfte in der Wärme.
    »Jetzt versteh ich gar nichts mehr.« Ira war ratlos.
    Obwohl er ebenso ratlos war, musste Simon grinsen. »Hast du denn vorher irgendwas verstanden?«
    Ira lachte. Dann verstummte sie und warf ihm einen scheuen Blick zu. Irgendwie war das alles unheimlich.
    Simon hob seine Hand, um sie noch einmal auf die Fassade zu legen.
    »Was passiert eigentlich«, fragte Ira unvermittelt, »wenn du mit beiden Händen die Wand berührst?« Ihre Stimme klang nachdenklich.
    Simon stutzte. Dann verstand er, woran sie dachte: an den Moment, als er sie mit beiden Händen angefasst hatte. Er hatte gefühlt, was sie gefühlt hatte.
    Aber das war ein Haus, kein Mensch.
    Dann erinnerte sich Simon daran, was geschehen war, als er das Bild der verlassenen Stadt in seinen Händen gehalten hatte.
    Langsam hob er die Arme und legte beide Handflächen auf die Fassade.
    Er fühlte nichts.
    Enttäuscht zog er seine Hände zurück.
    Plötzlich, als wäre im Inneren des Gebäudes etwas erwacht, hörten sie ein Dröhnen, und die Fassade begann zu vibrieren.
    Im gleichen Moment glitt die glänzende Haut des Gebäudes vor ihnen zur Seite.

21
    Simon war erschrocken zurückgewichen, und auch Ira starrte überrascht auf das, was geschehen war: Die Fassade des goldenen Hochhauses hatte sich vor ihnen geteilt, in der eben noch spiegelglatten Fläche war ein weit geöffnetes Tor zu sehen, groß genug, dass ein Lastwagen hätte hindurchfahren können.
    Vorsichtig gingen sie durch den Eingang. Sie fanden sich in einer riesigen Halle wieder, die mehrere Stockwerke hoch war und fast die gesamte Breite des Gebäudes einnahm. Die Halle war leer bis auf einen Tresen in der Mitte, hinter dem ein uniformierter Mann saß. Die Front des Tresens leuchtete, genau wie der Boden davor, er sah aus wie die Landebahn eines Flughafens bei Nacht. Die restliche Halle lag im Dunkeln, bis auf die Wand im

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