Der Tote im Kofferraum
Sie herein, kommen Sie. Der Polizist?« Sie lachte spöttisch. »Sprechen mit junges Nichtsnutz Pratt. Bald fertig sein. Bis dahin Sie Kaffee trinken.«
Jim mochte Maori und kam gut mit ihnen aus. Seine Kindheit hatte er im King Country verbracht, und er hatte in der Nähe einer großen Eingeborenensiedlung gewohnt. Er hatte eine kleine Dorfschule besucht, wo genauso viele Maori wie Pakehas waren. Innerhalb von fünf Minuten unterhielt er sich mit Huia in der Küche mit einer Vertraulichkeit, die Augusta schockiert und Wright in Erstaunen versetzt hätte. Delia kam dazu, und die drei sprachen beinahe im Flüsterton von der Tragödie. Dann erzählte Jim von den derzeitigen Problemen seiner Schwiegermutter.
»Aber ein Mann wie Wright wird sie gewiß nicht verdächtigen«, sagte Delia. »Er ist sehr scharfsinnig.«
»Ich bin ganz sicher, daß er gar nicht daran denkt. Aber die Chance, sich wieder einmal in der Zeitung zu sehen, war zu gut, als daß Mrs. Wharton sie ausgelassen hätte. Darin ist sie eine Meisterin. Die ersten Reporter haben sie bereits interviewt, und Sie können Gift darauf nehmen, daß sie ganz diskret ihr neues Buch erwähnt hat. Das dürfte ihr genügen, und jetzt wird sie sich in allen Ehren aus der Affäre ziehen. Sie ist eben eine gute Geschäftsfrau — bei allem Getue.«
»Was für eine anstrengende Schwiegermutter«, sagte Delia voller Mitgefühl.
»Nicht, wenn man sich an sie gewöhnt hat. Oft denke ich, daß sie sicherlich eine nette Frau war, bevor sie Bestsellerautorin wurde. Der Erfolg ist ihr zu Kopf gestiegen, aber immerhin weiß sie, wie weit sie gehen kann.«
»Ich habe sie nie persönlich gesehen, aber natürlich habe ich in der Buchhandlung schon in ihren Büchern geblättert«, meinte Delia und verschwieg taktvoll, daß sie nicht ein einziges ganz gelesen hatte. Diese Kategorie von Büchern entsprach nicht ihrem Geschmack. »Nun, ich muß jetzt gehen, Huia. Mrs. Warwick-Smith scheint es etwas besser zu gehen, glauben Sie nicht auch? Aber sie ist noch sehr schwach.«
Huia wiederholte ihre Prophezeiung vom letzten Abend, daß es Grace bald besser gehen würde. Irgend etwas in der Art, wie sie es sagte, machte Jim stutzig, und als Delia die beiden verlassen hatte, sagte Jim im Plauderton: »Erzählen Sie mir etwas über den Ermordeten, Huia. Sie mochten ihn nicht, nicht wahr?«
Huia war plötzlich ein ganz anderer Mensch, und von der Verschlossenheit und Schweigsamkeit, die für Wright so ärgerlich waren, spürte man nichts mehr. Sie wurde geradezu redselig. »Er? Ein widerlicher Typ. Dachte, die Maori taugen nichts. Er nörgelte und nörgelte immer.« Und sie erzählte Jim die Geschichte von dem heiligen Baum, den Warwick-Smith fällen ließ.
Belustigt stellte Jim fest, daß Huia gar nicht mehr gebrochen sprach. Das überraschte ihn nicht. Er hatte in Wirklichkeit gar nicht geglaubt, daß Maori, auch wenn sie den größten Teil ihres Lebens unter Ihresgleichen gelebt hatten, so wenig die Sprache der weißen Bevölkerung, der Pakehas, wie sie die Maori nannten, beherrschten. Nachdem sie mit einem Loblied auf Grace geendet hatte, neckte sie deshalb Jim. »Sie sprechen ja wie eine Pakeha, großartig, Huia.«
Huia war nicht im geringsten verlegen. Sie kicherte und sagte: »Ich kann das recht wohl, aber die Pakehas meinen, wir müßten gebrochen sprechen, sonst wären wir keine echten Maori. Für die Art von Pakehas spreche ich gebrochen; für Leute, die die Maori verstehen, kann ich es besser.«
»Sie beherrschen die Sprache der Pakehas perfekt. Ich bin überzeugt, daß Sie jedes Wort verstehen.«
»O ja!« gestand Huia beiläufig. »Ich verstehe sehr gut. Ich lache mir ins Fäustchen, wenn die Leute sagen: >Sie ist nur eine Maori. Es spielt keine Rolle, was Sie vor ihr sprechen. Sie versteht nichts.<«
»Dummköpfe! Geschieht ihnen recht. Nun, ich muß jetzt mit dem Inspektor sprechen. Er ist ein Freund von mir. Schauen Sie mich nicht so finster an. Ich bin kein Polizist. Aber ich kenne Wright gut, er ist ein netter Kerl. Ich hoffe, Sie haben ihm alles gesagt, was Sie wissen.«
Jim konnte in Huias Gesicht lesen, daß das nicht der Fall war. Sie sagte aber lediglich: »Hab’ nichts für die Polizei übrig. Keine fairen Leute. Sind stets bereit, von den Maori das Schlechteste anzunehmen.«
Dann erzählte sie Jim von Erus unglücklichem Abenteuer mit dem Lastwagen und seinen schlimmen Folgen vor Gericht.
»Danach wollte Eru nicht mehr für den Pakeha arbeiten, und wir
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