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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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zu bringen. Sie duschte ausgiebig, wusch sich die Haare. In ihrem Schlafzimmerschrank stöberte sie nach bequemer Kleidung. Eine helle Leinenhose und ein passendes, weites Hemd mit langen Ärmeln. Damit die schlaffe Haut an den Oberarmen verdeckt wurde. Sie föhnte ihr Haar und legte Make-up auf. So waren die Spuren einer schlaflosen Nacht einigermaßen kaschiert. Danach fuhr sie ihren Computer hoch und suchte über Google Maps nach der besten Straßenverbindung.
    Kurz vor zwölf nahm Chantal einen kleinen Imbiss zu sich. Dann holte sie ihren BMW aus der nahe gelegenen Garage in der Rue des Francs Bourgeois und fuhr los. Die Klimaanlage stellte sie auf die höchste Stufe. So war die Reise einigermaßen angenehm, zumal Chantal in der heißen Mittagszeit startete. Eine halbe Stunde später bog sie in die Auffahrt zur Autobahn ein. Vor ihr lag - je nach Verkehrsdichte - eine etwa zweistündige Fahrt.
     
    Der neue Ermittlungsrichter war eine Frau namens Virginie Allard. Jung, aufstrebend und ehrgeizig hatte sie sich bei einem spektakulären Mordfall in einem Provinznest im
Südwesten des Landes einen Namen gemacht. Vor wenigen Monaten war sie nach Paris gekommen, und es wurde gemunkelt, dass der Gerichtspräsident persönlich ihre Versetzung betrieben habe.
    Eine knappe Stunde nach LaBréas Telefonat mit dem Schöngeist rief sie an und bat LaBréa in ihr Büro.
    »Sie haben Glück, Commissaire«, sagte sie, als er eintrat. »Ich war fast schon auf dem Weg zu Freunden aufs Land.«
    LaBréa kannte sie bisher noch nicht persönlich. Er sah eine zierliche Frau, deren waghalsig hohe Absätze sie größer erscheinen ließen, als sie war. Mit ihrem flotten Pagenhaarschnitt und dem frischen, dezent geschminkten Gesicht wirkte sie wie eine Studentin. Thibon hatte ihm verraten, dass Virginie Allard seinerzeit landesweit das beste Juraexamen ihres Jahrgangs hingelegt hatte. Eine Frau mit Aussicht auf eine steile Karriere. Die energisch blickenden Augen und der resolute Zug um dem Mund ließen eine starke Persönlichkeit vermuten, mit der man sich besser nicht anlegte.
    LaBréa reichte ihr die Hand.
    »Freut mich, Madame. Danke, dass Sie so rasch gekommen sind!«
    »Bitte nehmen Sie Platz. Ich habe natürlich noch keinen Blick in die Akte werfen können. Erzählen Sie mir die Einzelheiten.«
    LaBréa berichtete ihr vom Mordfall Ribanville und dem bisherigen Stand der Ermittlungen. Aufmerksam hörte die junge Richterin zu und machte sich hin und wieder Notizen. Als LaBréa seinen Bericht beendet hatte, blickte Virginie Allard ihn einen Moment intensiv an, dann sagte
sie entschlossen: »Ich gebe Ihnen Recht, Commissaire. Kaplan Coulons Verhalten ist mehr als auffällig. Es gibt unter den zehn Geboten Gottes auch eines, das ausdrücklich die Lüge verbietet. Also - ein Mann der Kirche, der so offenkundig lügt … da werde ich neugierig und möchte wissen, weshalb. Sie bekommen Ihren Durchsuchungsbeschluss. Und ich begleite Sie persönlich in dieses Waisenhaus.«
    »Meinen Sie, dass das nötig ist?«
    Die junge Frau lächelte, was ihr ein unerwartet kindliches Aussehen verlieh.
    »Eine Hausdurchsuchung in einer konfessionellen Einrichtung ist eine delikate Angelegenheit. Das wissen Sie, Commissaire. Ich will nur sichergehen, dass dabei nicht die geringsten Schnitzer passieren.«
    Was für Schnitzer?, war LaBréa versucht zu fragen. Wollte dieses junge Ding ihm etwa erklären, wie er seine Arbeit zu verrichten hatte? Doch er schob seinen Ärger beiseite und verkniff sich eine entsprechende Replik. Hier galt es nur, das Ziel im Auge zu behalten.
    Aus der Schublade ihres Schreibtisches nahm die Ermittlungsrichterin jetzt ein vorgedrucktes Formular.
    »In zehn Minuten bin ich so weit. Haben Sie noch Platz in Ihrem Wagen? Sonst rufe ich die Fahrbereitschaft an.«
    »Nicht nötig, Madame. Sie können bei mir mitfahren.«
    »Wie stellen Sie sich die Vernehmung des Kaplans vor? Wollen Sie ihn aufs Präsidium bringen?«
    »Ich versuche es erst mal vor Ort. Wenn sich allerdings ein dringender Tatverdacht ergeben sollte, nehmen wir ihn mit.«

    »Genau das dachte ich auch. Ich sehe, wir verstehen uns, Commissaire.« Sie blickte ihn kühl, aber nicht unfreundlich an. Ihre Hände lagen auf der Unterlage ihres Schreibtisches. Sie trug keinen Ehering.
    »Also gut. Holen Sie mich in zehn Minuten hier ab.«
     
    Mit leisem Surren glitt der Mercedes über die Place de Wagram Richtung Boulevard Berthier. Strikt hielt Lachmöwe sich an die

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