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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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genau sagen«, meinte der Clochard und wurde zunehmend nervöser. »Es ging ja so schnell! Blitzschnell war die Frau verschwunden!« Er deutete auf die Gestalten. »Jede von denen könnte es gewesen sein.«
    »Schauen Sie genau hin, Monsieur«, sagte LaBréa geduldig.
    »Das tu ich, Commissaire.«

    Doch eine eindeutige Identifizierung wollte Nick nicht gelingen. Ungeachtet dessen war durch die Zeugenaussage der Putzfrau bewiesen, dass Michel Delpierre sich in der Mordnacht kurz vor der Tat ins Hotel begeben hatte. LaBréa ordnete die sofortige Freilassung von Nick Sabatier an. Dem Clochard wurde sein Gewinn ausgehändigt. Dann brachte Brigadier Valdez ihn mit einem Zivilfahrzeug zum Parc de Belleville, wo er sein Lager wieder am angestammten Platz aufschlagen wollte.
     
    »Fripou, komm her! Wo willst du denn hin?«
    Der Hund, eine undefinierbare Promenadenmischung, raste davon. An der nächsten Ecke war er verschwunden. Seine Besitzerin, die Rentnerin Claire-Lise Fénin, rief ihn zurück, doch umsonst. Mit energischen Schritten folgte sie ihm. Mit ihren beinahe siebzig Jahren war sie ausgesprochen rüstig und flink auf den Beinen. Die täglichen Spaziergänge mit ihrem Hund hielten sie fit. Bei Wind und Wetter führte sie Fripou Gassi, und auch die Hitze der letzten Wochen hatte ihr wenig ausgemacht. Gegen die heißen Temperaturen wappnete sie sich regelmäßig mit einer großen Wasserflasche. Als Schutz gegen die Sonne trug sie einen alten Strohhut. Er stammte aus dem Nachlass ihres älteren Bruders Gérard, der vor zwei Jahren verstorben war. Bis dahin hatten die Geschwister, die beide unverheiratet geblieben waren, in der kleinen Wohnung in der Rue de Saussure zusammen gewohnt. Nach Gérards Tod wurde Claire-Lise das Alleinsein bald zur unerträglichen Last. Die Anschaffung von Fripou, den sie vor der lebenslangen Gefangenschaft im Tierheim rettete, löste das
Problem zwar nicht ganz, aber doch teilweise. Fripou war ein gutmütiges, geselliges Tier, ihr treu ergeben und normalerweise absolut gehorsam. Was war bloß heute mit ihm los?
    Erneut rief Claire-Lise seinen Namen. Von dem Hund keine Spur. Claire-Lise trank im Gehen einen Schluck Wasser aus der Plastikflasche und erreichte die Ecke Boulevard Pereire Nord. Dort gab es eine verlassene Tankstelle und ein Backsteingebäude, das früher als Autoreparaturwerkstatt gedient hatte. Die Werkstatt war längst geschlossen, und die Zapfsäulen der alten Tankstelle waren mit Graffiti beschmiert.
    Claire-Lisa blickte sich suchend um. Das Spätnachmittagslicht flirrte auf dem Asphalt. Das Werkstattgebäude warf einen Schatten dorthin, wo sich das Eingangstor befand. Fripou stand mit gespreizten Vorderpfoten davor und bellte wie wahnsinnig.
    »Fripou, was ist denn los?«, rief Claire-Lise und steuerte auf die Werkstatt zu. Der Hund rührte sich nicht vom Fleck, sondern blickte nur aufgeregt sein Frauchen an und bellte weiter.
    »Ganz ruhig, Fripou«, sagte Claire-Lise mit energischer Stimme. »Was hast du denn?«
    Ihr Blick fiel nach unten auf den Spalt unter dem Tor. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück und umklammerte die Wasserflasche. Das Herz klopfte ihr plötzlich bis zum Hals.
    Unter der Tür sah sie fünf Finger einer Hand. Sie war groß, verschmutzt und blutbeschmiert, und plötzlich bewegte sie sich.

    Claire-Lise riss den Hund zurück, der wie auf Knopfdruck aufgehört hatte zu bellen. Eine unheimliche Stille lag über dem alten Tankstellengelände. Sie wurde nur unterbrochen durch das Geräusch eines vorbeifahrenden Zuges am nahe gelegenen Bahnhof Pont Cardinet. Claire-Lise starrte auf die Hand unter dem Torschlitz. Erneut bewegte sie sich. Jetzt hörte sie hinter der Tür ein leises Stöhnen.
    »Ist da jemand?«, fragte Claire-Lise laut und erschrak beim Klang ihrer Stimme.
    Niemand antwortete. Doch erneut war das Stöhnen zu hören, und die Finger bewegten sich jetzt schneller als zuvor, ein Flehen um Hilfe und letzte Rettung.
    Rasch nahm Claire-Lise ihren Hund an die Leine, machte auf dem Absatz kehrt und rannte mit Fripou und der Wasserflasche im Arm davon. Sie besaß kein Handy. Aber in ihrer Wohnung stand ein Telefon, und bis nach Hause war es nicht weit.
     
    Die Vernehmungszimmer am Quai des Orfèvres glichen einander wie ein Ei dem anderen. Klein, stickig und ohne Tageslicht waren dies Räumlichkeiten, in denen LaBréa sich nur ungern aufhielt. Doch es war üblich, einen Mordverdächtigen hier zu vernehmen. Im Raum gab es Tonbänder und

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