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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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Kompliment aus dem Munde eines Mannes von Welt war sie besonders stolz.
    Mit knirschenden Reifen rollte der Clio über den Kiesweg hinaus auf die gepflasterte Allee, die an der Kirche
vorbei nach einem Kilometer durch das große, schmiedeeiserne Tor auf die Départementstraße führte. Das Tor war in die hohe Außenmauer eingelassen, die Le Cloître umgab. Mit Hilfe von Lisas Fernbedienung öffnete es sich automatisch und schloss sich danach wieder geräuschlos.
    Der Klosterbau lag jetzt rechter Hand. In der großen Halle im Erdgeschoss waren die Fenster erleuchtet. Der Lichtschein durchdrang die schweren Brokatvorhänge, die von innen vorgezogen waren.
    Die Herren saßen noch beisammen. Das Diner war ein voller Erfolg gewesen, und die Gäste hatten Lisas Kochkünste überschwänglich gelobt. Monsieur Bouvier hatte ihr nach dem Abdecken der Dessertteller und der Kaffeetassen einen Hunderteuroschein zugesteckt und ihr für ihre Mühe gedankt.
    Lisa ließ die Fensterscheibe ein Stück herunter. Der laue Nachtwind roch nach Meer und blies sanft durch ihre Haare. Wie erfrischend das war! Schwimmen gehen müsste man jetzt, dachte Lisa spontan und seufzte sehnsüchtig. Den Strand von Blonville kannte sie seit ihrer Kindheit. Ein feiner Sandstrand, an dem die Kinder an schulfreien Tagen und in den Ferien Muscheln und Seesterne suchten und die großen Passagierschiffe beobachteten, die nach Le Havre fuhren. Wie lange war das alles her? Die Tage ihrer Kindheit. Eine glückliche Kindheit, die ein jähes Ende fand, als die Mutter innerhalb einer Woche an einem Nierentumor starb. Da war Lisa elf Jahre alt, ihr Bruder Félix neun und die kleine Anne-Marie sieben.
    Im Licht der Autoscheinwerfer tauchten jetzt die Umrisse der alten Klosterkirche aus dem Dunkel der Nacht
auf. Jeder in Blonville kannte die historische Bedeutung von Le Cloître und seine Vergangenheit als Zentrum des Templerordens. Die düsteren Umrisse des Gotteshauses wirkten fremd und abweisend. Das Innere dieser Kirche hatte Lisa nie gesehen. Sie war Monsieur Bouviers Privateigentum. Hier fanden keine Messen mehr statt, es gab keinen Pfarrer, keine Gemeinde.
    Plötzlich stutzte Lisa. Hatte sie sich getäuscht, oder schimmerte da ein Licht in der Kirche? Ein schwacher Schein, der durch die Rosette im Seitenschiff nach draußen drang? Unmöglich, das war sicher der Mond, der sich im bunten Fensterglas gespiegelt hatte. Da war es wieder. Ein flackernder Lichtschein, er tanzte auf und ab wie eine Laterne.
    Lisa bremste und brachte den Wagen zum Stehen. Sie starrte auf die Kirche, die sich nur wenige Meter abseits der Allee befand. Da, jetzt war das Licht auf einmal erloschen. Sie wartete einige Sekunden, doch das Rosettenfenster blieb dunkel.
    Allerlei Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Allen voran der an alte Legenden und Geschichten, die man sich in Blonville über Le Cloître erzählte. Vom Geist Guilhelms de Blonville, des letzten Templerritters. Guilhelm war von der Inquisition als Ketzer gehängt worden. Später hatte man seinen Leichnam in der Kirche begraben. Doch sein Geist konnte keine Ruhe finden, und in besonderen Nächten entschwand er seiner Gruft und trieb sein Unwesen. Lisa glaubte nicht an solche Gespenstergeschichten. Gleichwohl beschlich sie ein unheimliches Gefühl, und Angst stieg in ihr auf. Bloß weg hier!, dachte sie und warf einen
letzten Blick auf das Rosettenfenster. Kein Lichtschein war zu erkennen.
    Plötzlich prallte ein Schatten hart gegen die Fahrertür. Zu Tode erschrocken, zuckte Lisa zusammen. Als sie die beiden Dobermannrüden sah, die mit den Vorderpfoten gegen Tür und Fahrerfenster schlugen, wie wild bellten und sie nicht zu erkennen schienen, verstärkte sich ihre Angst. Wieso reagierten die Hunde so? Sie kannten sie doch! Oder stürzten sie sich als abgerichtete Wachhunde auf jeden, der sich nachts draußen auf dem Gelände aufhielt? Es war das erste Mal, dass Ajax und Achill ihr begegneten, wenn sie Le Cloître mit dem Wagen verließ. Lisa versuchte, beruhigend auf die Tiere einzuwirken. Doch sie schienen wie von Sinnen, und Lisa legte rasch den Gang ein und gab Gas. Sie hörte nicht das scharfe Geräusch der Reifen auf dem Kopfsteinpflaster. Ebenso wenig, wie sie das Bellen der Hunde vernahm, die dem Wagen noch eine Weile nachrannten. Auch die Geräusche der Nacht drangen nicht an ihr Ohr. Der Ruf eines Käuzchens im nahen Eichenwald. Der Wind, der in den Baumkronen sang. Das Rauschen der Brandung an den Klippen, die nur

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