Der Tote vom Strand - Roman
werde ich wohl nehmen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Baasteuwel. »Dann können wir zusammen Mittag essen.«
Dann legte er auf. Ewa Moreno blieb eine Weile mit dem Telefon in der Hand stehen. Du meine Güte, dachte sie. Maager war nicht der Vater des Kindes? Was hat das nun wieder zu bedeuten?
Schwer zu sagen. Er hatte sich ja offenbar für den Vater gehalten. Und war das nicht die Hauptsache?
Und plötzlich wirbelten ihr wieder die Fragen durch den Kopf. Hauptsache wobei? Hauptsache für wen?
Für Winnie Maas natürlich. Und noch für andere?
Denn jungfräuliche Geburten sind heutzutage doch recht ungewöhnlich, wie Mikaela Lijphart zwei Wochen zuvor im Zug gesagt hatte.
Ewa Moreno streckte sich auf dem Bett aus und starrte zur Decke hoch.
Was um Himmels willen mochte mit Mikaela Lijphart passiert sein?
Und auf welche Abenteuer war Arnold Maager ausgezogen, und warum war Tim Van Rippe ermordet worden?
Es gab noch allerlei Unklarheiten. Wie gesagt. Eine verdammte Menge Unklarheiten sogar.
Und wie lief es mit der Beobachtung von Polizeichef Vrommel? Sie hatte vergessen, Baasteuwel danach zu fragen.
Aber das hatte auch Zeit bis morgen, entschied sie.
Denn jeder Tag hat es auf seine Weise in sich.
36
24. Juli 1999
Inspektor Baasteuwel stand im Schatten eines Lagerhauses und betrachtete eine Sturmmöwe.
Die Sturmmöwe betrachtete Baasteuwel. Ansonsten passierte nicht viel. Die Sonne schien. Das Meer war spiegelglatt.
Er schaute auf die Uhr. Es war erst Viertel nach zehn, aber er hätte schwören können, dass die Temperaturen schon bald bei dreißig Grad ankommen würden. Wenn sie diese Zahl nicht schon passiert hatten. Der Hochdruck hielt sich, und der Himmel war so wolkenlos, dass es ihm fast Kopfschmerzen bereitete. Dieser Samstag hätte eigentlich sein dritter Urlaubstag sein müssen. Verdammt. Aber so war es nun eben. Er steckte sich eine Zigarette an, die vierte dieses Tages. Oder vielleicht auch die fünfte.
Jetzt umrundete die Fähre langsam den Wellenbrecher. Sie sah halb leer aus. Um nicht zu sagen, ganz leer. Natürlich gab es keinen vernünftigen Grund, an einem solchen Tag die Inseln zu verlassen. Im Gegenteil. Die Leute, die an Bord wollten, drängten sich wie die Heringe aus Westwerdingen, und die Kette für das letzte Auto, das um elf Uhr mitgenommen werden konnte, war schon vor zehn Minuten vorgelegt worden. Was wollten die eigentlich da draußen auf den Inseln mit einem Auto?
Baasteuwel verließ die relative Kühle hinter dem Schuppen und wanderte zu dem Tor, durch das die von der Fähre kommenden Fahrgäste geschleust wurden. Und öffnete seinen Regenschirm.
Er bereute, auf die Sache mit dem Regenschirm eingegangen zu sein. Seine Frau war in einem Anfall von bissigem feministischem Humor auf diese Idee gekommen, aber sei’s drum. Bitowski musste ihn doch erkennen, und ein blaugelber Regenschirm mit Reklame für Kondome Marke Nixon fiel eben auf.
Vor allem bei diesem Wetter. Wenn er sich umsah, konnte er nirgendwo auch nur einen anderen Kondomschirm entdecken.
Weshalb Claus Bitowski ihn sicher nicht verfehlen konnte.
Das tat er auch nicht. Unter den allerletzten Fahrgästen, die an Land kamen, war ein beleibter Mann von vielleicht dreißig. Oder vielleicht war er auch älter. Er trug eine Sonnenbrille und eine umgedrehte Baseballmütze. In der einen Hand hielt er eine schmutzige gelbe Sporttasche aus Plastik, in der anderen eine halb leere Bierflasche. Sein T-Shirt mit dem Aufdruck »We are the fuckin’ champs« konnte die Rettungsringe über seinen Jeans nicht so recht bändigen.
»Bist du vielleicht der Bulle?«, fragte er sofort.
Baasteuwel klappte den Schirm zusammen. Deine Eltern hätten zu Nixon greifen sollen, dachte er.
»Just der. Und du bist Claus Bitowski?«
Bitowski nickte. Leerte seine Bierflasche und hielt Ausschau nach einem Papierkorb. Als er keinen fand, warf er sie ins Hafenbecken. Baasteuwel wandte sich ab.
»Ich habe nichts zu sagen«, sagte Bitowski.
»Wie meinst du das?«, fragte Baasteuwel. »Ich habe ja noch gar keine Frage gestellt.«
»Über Van Rippe. Ich weiß nichts.«
»Das werden wir ja sehen«, sagte Baasteuwel. »Immerhin gut, dass du gekommen bist. Wollen wir uns irgendwo hinsetzen?«
Bitowski nahm sich eine Zigarette.
»Ich habe nichts zu sagen.«
Hübsch, dachte Baasteuwel. Ein dreißigjähriges Baby. Hier ist eine Runde Pädagogik angesagt.
»Strandterrasse und ein Bier vielleicht?«, schlug er vor. Bitowski zog an seiner
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