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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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damit zu tun, dass sie Polizeichef Vrommel hintergingen. Rein gar nichts. Aber es fiel ihm schwer, andere hinters Licht zu führen. Es machte keinen Spaß. Schon gar nicht bei einer wie Frau Van Rippe — ihr Sohn war ermordet worden, und jetzt musste er sie anlügen. Es kam ihm falsch und widerwärtig vor, auch wenn es sich vielleicht nicht direkt um eine haarsträubende Lüge handelte.
    Es ging eher darum, sich bedeckt zu halten. Ihr nicht die Wahrheit zu sagen.
    Sich in blauen Dunst zu hüllen, wie man so sagte. Was auch schon schlimm genug war.
    »Ich begreife das nicht«, hatte sie gemeint, als sie ins Auto gestiegen war. »Warum wollen Sie noch mit mir reden? Ist noch etwas passiert?«
    »Nicht direkt«, hatte Vegesack geantwortet. »Wir brauchen nur noch ein paar Auskünfte.«
    »Und deshalb müssen Sie mich nach Lejnice und wieder zurück kutschieren?«
    »Wir fanden das besser so.«
    Es war eine gute Stunde Fahrt von Karpatz nach Lejnice, aber glücklicherweise schwieg Frau Van Rippe fast die ganze Zeit. Vegesack lugte vorsichtig zu ihr hinüber, sie saß auf dem Beifahrersitz und zerfetzte ihr Taschentuch. Eine etwas verlebte Frau von sechzig mit einem toten Sohn. Ab und zu putzte sie sich die Nase. Vielleicht ist sie allergisch, dachte er. Oder die Trauer bahnt sich einen Weg. Sie hatte es im Moment natürlich schwer. Ihr Sohn würde in der kommenden Woche begraben werden; am Donnerstag, wenn Vegesack das noch richtig in Erinnerung hatte. Einäscherung war aus ermittlungstechnischen Gründen nicht gestattet. Es musste einfach schrecklich für die Frau sein. Als habe auch ihr eigenes Leben auf irgendeine Weise ein Ende genommen.
    Aber es fiel ihm schwer, sich in ihre Lage hineinzuversetzen. Und er war dankbar, dass er nicht darüber sprechen musste.

    Und fühlte sich unwohl, weil er sie hinters Licht führen musste, wie gesagt.
    »Haben Sie Tim gekannt?«, fragte sie ungefähr auf halber Strecke.
    Vegesack schüttelte den Kopf.
    »Nein. Er war ein paar Jahre älter. Und ich bin erst seit ’93 in Lejnice. Komme eigentlich aus Linzhuisen.«
    »Ich verstehe«, sagte Frau Van Rippe. »Nein, mein Tim hatte wohl nicht so viele Freunde.«
    »Nicht?«, fragte Vegesack.
    »Nein. Er war wohl ein bisschen einsam.«
    Vegesack wusste nicht, was er sagen sollte, und sie ging nicht weiter auf dieses Thema ein. Sie seufzte und setzte eine Brille auf.
    »Schönes Wetter«, sagte sie, als habe sie das eben erst entdeckt.
    »Ja«, sagte Vegesack. »Warm und schön.«
    Viel mehr sagten sie nicht. Auf der ganzen Fahrt nicht. Sie erreichten Lejnice um fünf vor eins und hielten vor der Redaktion des Westerblatts.
    Sie schaute ihn überrascht an.
    »Die Zeitung? Was sollen wir denn hier?«
    Vegesack räusperte sich.
    »Auf der Wache herrscht heute Hochbetrieb. Deshalb können wir hier einen Raum benutzen.«
    Er war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte.
     
    Ewa Moreno kaufte für Selma Perhovens eine Flasche Portwein, zum Dank für die Gastfreundschaft, doch dann wusste sie nicht, was sie Drusilla schenken sollte. Am Ende entschied sie sich für ein preisgekröntes Jugendbuch und eine Schachtel Pralinen, sie hatte auf Drusillas Zimmer ein recht gut gefülltes Bücherregal gesehen, und die Pralinen würde die Kleine auf jeden Fall gern in sich hineinstopfen.
    Mutter und Tochter schienen mit den Abschiedsgeschenken
auch durchaus zufrieden zu sein, und Moreno verließ das Perhovenssche Heim nach allerlei Sympathiebekundungen und dem Versprechen, in Kontakt zu bleiben. Sie hinterließ ihre Reisetasche in einem Schließfach am Bahnhof, nahm ein letztes Sonnenbad am Strand und traf sich um zwei wie verabredet im Café Tarms mit Inspektor Baasteuwel zum Mittagessen.
    »Die Lage klärt sich«, sagte Baasteuwel, als beide ihren Salat vor sich stehen hatten. »Aber sie ist doch noch nicht so klar wie das Wetter.«
    »Du meinst, du wirst mir die Lösung jetzt nicht servieren?«, fragte Moreno.
    »Leider nicht«, sagte Baasteuwel. »So weit sind wir noch nicht. Weiß der Teufel, wie das alles zusammenhängt.«
    Moreno wartete.
    »Und weiß der Teufel, was mit Mikaela Lijphart passiert ist. Auch die neue Vermisstenmeldung hat nichts erbracht. Nicht einmal die üblichen Irren haben sich gemeldet, die sonst immer anrufen und den Teufel und seine Großmutter gesehen haben wollen. Kommt mir fast verdächtig vor, aber wir wissen, dass Vrommel keine Auskünfte zurückhält.«
    »Aber was ist mit Maager?«, fragte Moreno. »Habt ihr Sigrid

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