Der Totengarten
konnte, und vertrieb sich dann die Zeit in seinem Büro oder in der Werkstatt im Keller. Mittags wartete er auf seine Post und brauchte länger als nötig, um sein Essen zuzubereiten. Nach dem Essen kämpfte er dagegen an, einen Mittagsschlaf zu halten, gab allerdings häufig doch nach. Er bemühte sich auch, nicht zu viel fernzusehen, obwohl das immerhin etwas war, wobei er keine Frustrationen erlebte. Aber es war eine passive Tätigkeit, ein Nehmen ohne Geben. Cook hatte immer für seine Ziele gelebt, und jetzt hatte er keine mehr.
Er war nicht geistig schwach. Er hatte mehr Grund zum Unglücklichsein als die meisten Menschen, doch er gestattete sich nicht, in Depressionen zu verfallen. Auch wenn es kaum etwas gab, wofür er morgens aufstand, tat er es dennoch und zog sich vor dem Frühstück an wie jemand, der anschließend zur Arbeit ging.
Er hätte sich in der Kirche engagieren können, doch er war nicht gerade ein Jesus-Typ. Seine Frau war eine fromme Baptistin gewesen, ein Mensch mit starkem Glauben. Manche Polizisten suchten Halt bei Gott, doch auf Cook hatte der Job und das, was er dabei zu sehen bekam, die gegenteilige Wirkung gehabt. Jetzt, da er dem Tod näher war, wäre es einfach und verständlich gewesen, wieder zur Kirche zurückzukehren, aber das hätte er scheinheilig gefunden. Er war kein besonders aufmerksamer oder vorbildlicher Ehemann gewesen, doch er hatte seine Frau geliebt und war ihr treu gewesen, und wenn es einen Gott gab und dieser tatsächlich gut war, dann, so glaubte Cook, würde Er ihn und Willa wieder zusammenführen, egal ob Cook nun den Sonntagsgottesdienst besuchte oder nicht.
Cook starrte in seine leere Kaffeetasse.
Sein Arzt hatte gesagt, er solle nur eine Tasse pro Tag trinken, wenn überhaupt. Von dem Koffein bekam er Herzrasen, und das konnte Cook nicht brauchen. Allerdings hatte der Arzt ihm auch gesagt, die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schlaganfalls sei hoch, und wenn es dazu käme, könnte er schlimmer sein als der vorige. Das würde er nicht verhindern, indem er auf eine zweite Tasse Kaffee verzichtete.
Sein Kreislauf war labil, sagte der Arzt. Nein, ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange es dauern wird bis zum« nächsten Vorfall ». Es können Wochen sein oder Jahre. Das Rauchen und die falsche Ernährung. Wir wünschten, wir könnten mehr für Sie tun, Mr. Cook. Eine weitere Operation wäre zu riskant. Bedauerlicherweise. Führen Sie weiterhin ein aktives Leben, aber mit Maß. Nehmen Sie Ihre Medikamente. Und so weiter und so fort, alles Blödsinn.
Cook sah zur Arbeitsplatte hinüber. Er hatte eine Pillendose, zwei Tabletten in jedem Fach, nach Wochentagen unterteilt. Damit er keinen Tag ausließ oder vergaß, dass er die Medikamente bereits genommen hatte, und die doppelte Dosis schluckte. So weit war es mit ihm gekommen. Wenn er den nächsten Schlaganfall überlebte, würde er wahrscheinlich nur noch ein Wrack sein, an Armen und Beinen gelähmt. Dann würde die Veteranenhilfe jemanden vorbeischicken, der ihn badete. Ihm zum Essen ein Lätzchen umband. Irgendeine arme Einwandererfrau, die seinen Altmännerarsch abwischte.
Eher würde er sich eine Kugel in den Kopf jagen. Aber darüber konnte er ein anderes Mal nachdenken.
Holiday hatte sich gemeldet. Cook hatte daraufhin einen alten Freund im 4th District angerufen, dessen Mentor er Anfang der 80er gewesen war und der jetzt selbst eine leitende Position innehatte. Cook erklärte dem Lieutenant, ein Officer im 4D habe seiner Nichte einen Gefallen getan und sie wolle ein Empfehlungsschreiben für ihn schicken, könne sich jedoch nicht mehr an seinen Namen erinnern, nur noch an die Wagennummer. Cook hatte keine Nichte, und das Zögern des Lieutenants verriet ihm, dass dieser die Lüge durchschaute, aber er gab Cook die gewünschte Information. Als Cook nach dem Dienstplan des Officers fragte, teilte ihm der Lieutenant nach einer langen Pause mit, er habe an diesem Tag die Schicht von acht bis vier.
Holiday würde kommen, und dann konnten sie sich an die Arbeit machen. Der junge Mann trug eine schwere Last, aber er hatte Energie und Feuer. Vielleicht könnten sie gemeinsam etwas aufdecken.
Cook ging hinaus zu seinem Wagen, einem hell goldfarbenen Mercury Marquis, an dessen Heckscheibe ein Aufkleber mit dem blauen Stern des FOP, des Berufsverbandes der Polizei, angebracht war, und öffnete den Kofferraum. Er nahm an, dass Holiday und er im Laufe des Tages ihren Mann beschatten und dazu mit zwei Autos fahren
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