Der transparente Mann (German Edition)
einander zu, ihre Gläser klirrten aneinander, und Monika lachte herzhaft, als Joe in ihrem leicht angeheiterten Zustand vorschlug, dass Konstantin sein erotisches Wissen an andere Männer weitergeben müsste.
»Das könnten einige echt gebrauchen.« Mit einem Lächeln bestellte Monika die Rechnung. Es sei für sie, wie sie betonte, eine Selbstverständlichkeit, Joe einzuladen, und mit ebendieser Selbstverständlichkeit begleitete sie Joe auch zu ihrem Auto.
Joe fühlte sich ihrer neuen Freundin nah, während sie an den üppigen Auslagen der Modeboutiquen vorbei zu dem ziemlich weit entfernten Parkplatz gingen, den sie erst nach langem Suchen gefunden hatte. Parkplätze waren in dieser Gegend immer Mangelware. Joe war es nicht einmal peinlich, dass ihr Kastenwagen heute so schmutzig war, dass man sogar die Notfallnummer nicht mehr lesen konnte. Mit solchen Nebensächlichkeiten wollte sie sich nicht länger beschäftigen. Vielmehr war sie überrascht, einer ehemaligen Nebenbuhlerin so wohlgesinnt gegenüberzustehen, und offensichtlich empfand Monika ebenso.
Jetzt meinte Joe auch zu erkennen, was das Wort »Frauenpower« bedeuteten konnte. Denn wenn Frauen zusammenhielten, hatte das eine ungeheure Kraft. Und genau die verspürte Joe, als sie neben Monika zu ihrem Auto ging.
»Ich werde dich unterstützen«, versprach Monika Treschniewski beim Abschied, als hätte sie Joes Gedanken erraten. »Auf jeden Fall schreibe ich einen weiteren Beitrag über deine Webpage. Über den Erfolg, den du damit hast, und alles andere, was für so eine Story halt wichtig ist.«
Joe sah sich bereits groß und in Farbe auf der Titelseite der Bildzeitung, ja sogar auf der gemütlichen Couch bei Thomas Gottschalks Wetten, dass..?
Wetten, dass sie alle staunen würden?
Wetten, dass man sie feiern würde?
Wetten, dass all ihre Gegner schweigen würden?
Eine berauschende Vorstellung. Aber leider auch nur ein Gebilde ihrer Fantasie, wie Joe sogleich erkannte – sie musste da nur an die Reaktion ihres Vaters denken. Der würde sich in ungerechten Vorwürfen ergehen und ihr todsicher unterstellen, sich nicht genug um ihre Baustelle zu kümmern. Bei jedem noch so kleinen Problem würde er ihr diesen Vorwurf machen, obwohl kleine Fehler und Mängel auf einer so großen Baustelle wie der ihren in der Natur der Sache lagen. Und sie dachte an Hausmeister Wimmer und seine Frau …
»Nee. Lass mal«, sagte Joe, schüttelte entschieden den Kopf und verdrängte die lockenden Bilder. »Ich will lieber nicht erwähnt werden. Das wäre, glaube ich, nicht so gut.« Ihr Blick bat um Entschuldigung.
»Kein Problem. Dann berichte ich halt nur über die Webpage. Du wirst sehen, das gibt dem Ganzen noch mal einen richtigen Schub. Deine Datenbank wird gigantisch werden. Vielleicht solltest du die Namen noch nach Bundesländern und Postleitzahlen ordnen?«
Joe fand diesen Vorschlag echt gut, denn so würde jegliche Verwechslung ausgeschlossen werden. Schließlich gab es viele Müllers, Schulzes und Maiers auf dieser Welt. Zum Abschied umarmten sie sich, drückten sich gegenseitig feuchte Küsschen auf die Wangen und versprachen, auf jeden Fall in Kontakt zu bleiben. Als Joe dann in ihr Auto stieg und Monika ihr zuwinkte, hatte sie das Gefühl, dass diese Frau ihr noch viel Gutes bescheren würde.
Es war kurz vor Feierabend am nächsten Tag, und das oberste Stockwerk war längst fertig isoliert, als Joe sich auf den Weg vom Keller, wo sie das Materiallager eingerichtet hatte, zurück in die dritte Etage begab. Hier arbeiteten ihre Monteure im Akkord. Voller Stolz dachte Joe an »ihre« Männer, als ihr Blick gedankenverloren durch die große, noch fensterlose Aussparung auf das Gelände der Baustelle fiel. Gerade wurde neuer Estrich angeliefert, wie immer stand die Tür zum Dixi-Klo offen, und dann sah Joe eine Frau, die ins Gebäude huschte.
Sie fand das ungewöhnlich. Während der gesamten Bauphase hatte außer ihr selbst noch keine Frau die Baustelle betreten. Neugierig spähte Joe durch den Spalt zwischen den geländerlosen Treppen, und das Erste, was sie sah, waren blondierte Haare mit einem dunklen Ansatz, die sich über die Treppe näherten. Im nächsten Moment bog die Unbekannte bereits um die Ecke und steuerte direkt auf Joe zu.
»Tag, Frau Huber.« Joe war überrascht, die Frau ihres Obermonteurs auf der Baustelle anzutreffen. Nur ein Notfall konnte der Grund für diesen seltenen Besuch sein. Joe nahm die klobigen australischen Boots wahr, die
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