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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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nachdenklich, und sie fragte sich auch, warum sie eher von Alf als von Marc Kritik annehmen konnte.
    »Siehst du das ernsthaft als deine Aufgabe im Leben an?«, unterbrach Alf ihre Überlegungen, und sein Blick traf Joe bis in die Seele.
    Sie wusste keine Antwort auf seine Fragen. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte. Nach einer Flasche Rotwein und einem Bier konnte sie das Gedankenknäuel in ihrem Kopf nicht mehr entwirren. Aber sie versprach Alf, noch einmal ernsthaft über alles nachzudenken.
    Aber nicht mehr heute.

Neun
    Auf der Titelseite der meistgelesenen Münchner Boulevardzeitung prangte fett und groß die Schlagzeile:
    DER TRANSPARENTE MANN
    Darunter stand klein, aber immer noch fett gedruckt:
    Frauen im Netz – Männer in der Falle
    Unter der Unterzeile war ein Farbfoto von Joe abgedruckt, auf dem sie vergnügt in die Kamera grinste.
    Das Grinsen war ihr jetzt vergangen. Sie stand am Zeitungskiosk und konnte das Ausmaß der Katastrophe noch gar nicht fassen.
    Konstantin!, war ihr erster Gedanke. Nur Konstantin konnte dieses Foto der Zeitung übermittelt haben, denn selbst ihr war es bisher unbekannt gewesen. Aber sie wusste genau, wann es entstanden war, nämlich an einem warmen Samstag im August, als sie mit Konstantin einen langen Spaziergang um den Tegernsee unternommen hatte. Es war eine der seltenen wirklich gelungenen Aufnahmen von ihr. Auf halbem Weg um den See waren sie in einem etwas höher gelegenen Restaurant mit Aussicht eingekehrt und hatten sich auf langen Bierbänken niedergelassen, um das Hier und Jetzt zu genießen. Über der sauberen, rot-weiß karierten Tischdecke und vor dem herrlichen Alpenpanorama strahlte Joe so, als müsste sie einem Vegetarier ein gebratenes Huhn verkaufen, das vor ihm auf einem Teller auf dem Tisch stand.
    Dabei war sie selbst damals das Huhn gewesen, das sich Konstantin nur von der besten Seite hatte zeigen wollen, erkannte sie nun. Aber trotz alledem musste Joe zugehen, dass ihr das bestens gelungen war. Sie hatte an jenem Tag richtig gut ausgesehen.
    Das war einmal, dachte Joe, während sie immer noch vor dem Kiosk stand und ihr Foto anstarrte. Die letzten drei Monate hatten ihr mehr Falten beschert als die siebenundzwanzig Jahre und elfeinhalb Monate ihres gesamten Lebens. Der Kummer hatte seine Spuren hinterlassen.
    Joe seufzte laut. Noch immer versetzte ihr der Gedanke, dass Konstantin sie sogar schon auf dem Höhepunkt ihres Glücks betrogen hatte, einen schmerzhaften Stich.
    »Sagen Sie mal, das sind doch Sie, nicht wahr?« Die aufgeregte Stimme der Verkäuferin am Kiosk katapultierte Joe zurück in die Gegenwart.
    Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt, denn mit einem Schlag wurde ihr spürbar bewusst, dass ihre Anonymität aufgeflogen war. Ohne eine Antwort zu geben, legte sie einen Euro in die Geldschale auf dem Tresen, schnappte sich die Zeitung, verzichtete auf die zwanzig Cent Wechselgeld und beeilte sich, schnellstens davonzueilen.
    Kaum saß sie im Auto, studierte sie den Artikel Wort für Wort. Joe wusste nicht, was sie mehr traf: dass Konstantin ein Foto von ihr zur Veröffentlichung rausgegeben hatte oder dass ausgerechnet Monika Treschniewski die Verfasserin dieses Artikels war. Ihre vermeintliche neue Freundin hatte sie mit kalter Berechnung ausspioniert und voller Absicht hinters Licht geführt. Offenbar hatte sie sich längst wieder mit Konstantin versöhnt.
    Joe entschied sich für Monika als Übeltäterin, denn sie hatte ja die ganze Zeit damit gerechnet, dass Konstantin zurückschlagen würde. Aber Monika, mit der sie sich vor zwei Tagen noch vertrauensvoll ausgetauscht hatte, hätte sie so viel Hinterlist niemals zugetraut. Entgegen ihrer Absprache hatte Monika diesen Beitrag geschrieben; sie hatte sich einfach über Joes ausdrückliche Bitte hinweggesetzt und sie namentlich und noch dazu mit Foto als Rächerin aller Frauen dargestellt.
    Joe konnte nicht glauben, dass Monika ihr das angetan hatte. Das war wirklich bitter. Und das flaue Gefühl, das sie im Magen spürte, verstärkte sich noch, als sie an ihre Monteure dachte, die bereits auf der Baustelle auf sie warteten. Sie war schon viel zu spät dran. Mit Sicherheit hatten schon alle diesen verdammten Artikel gelesen.
    Während der Fahrt zur Baustelle hatte Joe Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Unaufhörlich dachte sie darüber nach, wie sie »ihren« Männern nun begegnen sollte. Vor allem Huber. Was bitte sollte sie ihm sagen? Allein die

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