Der Traum des Schattens
Mattim sein soll, warum nicht?«
Mattim, der Zerstörer, der Prinz des Lichts, der die Dunkelheit über sie alle gebracht hatte.
Schatten.
Vampir.
Wolf.
Nein. All das war er gewesen und dennoch… nichts davon zählte wirklich. Ein Junge mit goldenem Haar. Ihr Mattim. Er hatte ihr gehört, bevor Hanna gekommen war. Sie hatte die älteren Rechte an ihm.
» Du verdienst mehr als ein Schattendasein. Nutze deine Chance. Eine tote Hanna hätte in seinem Herzen weitergelebt. Eine lebende Hanna, die ihn verrät, kann er daraus streichen.«
» Wie… wie habt Ihr das gemacht?«, fragte sie.
» Ich bin der Herr der Nacht«, sagte Kunun. » Warum sollte ich nicht tun können, was ich will?«
Das Haus im dreizehnten Bezirk, in dem die halbe Szigethy-Familie wohnte, war Mattim vertraut, denn in dem mehrstöckigen Gebäude lebten auch Mária und ihre Oma Magdolna. Bei ihnen hatten Hanna und er einmal Réka vor Kunun versteckt. Ob es Mónika schmerzte, dass sie auf derselben Stufe angelangt war wie ihre ehemalige Putzfrau?
Nein, entschied er, ganz gewiss nicht.
Er hatte Hannas ehemalige Gastmutter schon immer hübsch gefunden, doch ihr sympathisches Lächeln hatte sie allzu selten gezeigt. Jetzt, inmitten der winzigen, armselig möblierten Wohnung im dritten Stock, war sie förmlich aufgeblüht und überstrahlte ihre Umgebung.
» Möchtest du einen Tee?« Ihre Augen blitzten fröhlich, ihr Gesicht war voller Wärme. » Ich weiß, dass du Hannas Freund bist. Wo hast du sie gelassen?«
Er zuckte die Achseln. » Das wüsste ich auch gerne.«
Mónika lehnte sich in dem abgewetzten Sessel zurück. » Kein Vergleich mit meinem alten Zuhause, wie?«
» Sie scheinen es nicht sonderlich zu vermissen.«
» Du«, verbesserte Mónika. » Und du hast recht. Ich fühle mich wie ein Vogel, der aus seinem Käfig ausgebrochen ist. Es ist nicht ganz einfach, wie du dir denken kannst, aber merkwürdigerweise habe ich keine Angst. Vor nichts. Wenn nur Réka sich endlich dazu entschließen könnte, zu mir zu ziehen. Daran, dass sie sich besonders gut mit Ferenc verstünde, kann es nicht liegen. Aber das hier«, sie beschrieb mit der Hand einen Bogen, » ist wohl schon etwas abschreckend. Meine Stelle an der Musikschule habe ich verloren, dafür hat Ferenc gesorgt. Er hat nun mal Beziehungen. Er denkt auch nicht daran, Unterhalt zu zahlen, nicht mal für Attila. Offenbar hofft er immer noch, er könnte mich dazu zwingen, zurückzukommen und Buße zu tun.«
» Das werden Sie… ich meine, das wirst du sicher nicht tun.«
» Auf keinen Fall«, meinte sie kämpferisch. » Zum ersten Mal seit langem habe ich wieder das Gefühl, lebendig zu sein. Es ist zehn Jahre her, dass ich mich so gefühlt habe. Man stirbt, wenn man nicht geliebt wird, weißt du? Stück für Stück.«
Mattim hatte im Haus der Szigethys verborgen gelebt und ihren Gesprächen gelauscht, ohne dass jemand etwas von seiner Anwesenheit geahnt hätte. Er war es nicht gewöhnt, dass Mónika das Wort direkt an ihn richtete.
» Ich vermisse deine Musik«, sagte er, während ihm gleichzeitig einfiel, dass sie nicht wissen konnte, wie oft er ihren Klängen gelauscht hatte. » Hier gibt es kein Klavier.«
» Ja«, bestätigte sie, und diesmal war ihre Stimme voller Bedauern. » Das vermisse ich auch.«
» Es tut mir leid«, meinte er lahm, nur um irgendetwas zu sagen. Wenn sie reden wollte, stand er gerne zur Verfügung. Es brachte sowieso nichts, tagelang darüber nachzugrübeln, warum Kunun ihn eingeladen hatte.
» Alle unsere Freunde sind auf der Seite von Ferenc. Wie ich ihn einfach verlassen könnte, wo er doch so ein guter Mann ist… Na ja, sie haben recht. Solange man nicht mit ihm verheiratet ist, gibt es an ihm recht wenig auszusetzen. Es ist auch nicht so, als wäre ich ganz unschuldig daran, dass es nicht mit uns geklappt hat. Am Anfang war ich voller Hoffnung, dann kam die Enttäuschung und dann… ja, dann habe ich ihn betrogen. Es gibt da einen anderen Mann, den ich immer noch nicht vergessen habe, auch wenn die Affäre längst zu Ende ist. Willi hat mir gezeigt, was es bedeutet, wirklich zu lieben, und das ist etwas, was zwischen mir und Ferenc nicht möglich war. Seitdem weiß ich, wie das Glück aussehen könnte…« Ein sehnsüchtiges Lächeln überschattete ihr Gesicht. » Aber ich langweile dich bestimmt mit meinen Ehegeschichten. Wie geht es Hanna? Studiert sie noch Medizin?«
» Sie hat das Studium abgebrochen. Es war einfach nicht das Passende.«
Es
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