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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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rumkriegen? Ich sag dir jetzt mal was. Kunun hat gekämpft, er hat sich mit den Soldaten des Königs angelegt, er hat sich einer ganzen Übermacht entgegengestellt. Er hat etwas gewagt! Wer bist du schon dagegen?«
    Eigentlich war es kaum zu glauben, dass er überhaupt eine Wirkung auf sie hatte. Dass sie kaum etwas anderes so sehr wollte, als ihre Hände auf seine von der Sonne aufgewärmte Haut zu legen. Als in diese strahlenden Augen zu blicken und diese vollen Lippen zu küssen… Sie war viel oberflächlicher, als sie je gedacht hatte. Ein Nachmittag mit Mattim, und sie erkannte sich kaum wieder. Dieser süße Junge war die leibhaftige Versuchung. Dass er psychisch gestört war, merkte man ihm kaum an.
    » Ich bin treu«, sagte sie fest. » Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was das bedeutet?«
    Ob sie Mirita davon erzählen sollte? Die beiden passten so gut zusammen. Mirita sollte erfahren, dass Mattim jede Frau anbaggerte, die sich in seine Nähe verirrte. Aber Hanna wusste jetzt schon, dass sie nichts sagen würde. Dann musste Mirita eben besser auf ihn aufpassen.
    Wenn er ihr gehört hätte, dann… Oh Gott, er war wirklich genau ihr Typ, als wäre er eigens für sie erschaffen worden. Wenn Kunun nicht gewesen wäre, nichts hätte sie davon abhalten können, sich Hals über Kopf in Mattim zu verlieben und mit ihm durchzubrennen. Wie konnte ein Mann nur solch eine Wirkung auf sie haben?
    Schönheit zählte eben doch. Schönheit war sogar alles.
    Das war nicht bloß peinlich, das war nahezu unerträglich.
    Diesmal war sie sich sicher, dass Mattim lachte. Es klang verzweifelt, nahezu hysterisch.
    » Treu«, sagte er, » beim Licht. Ach, wenn du wüsstest!«
    » Wie läuft es eigentlich mit dir und Mirita?«, fragte sie, um irgendetwas zu sagen, denn die Stille zwischen ihnen wurde schon fast zu vertraut.
    » Keine Ahnung.« Er drehte sich auf den Bauch und riss Grashalme aus.
    » Was soll das denn heißen? Wie kann man davon keine Ahnung haben? Mirita ist ein tolles Mädchen.«
    » Hm.« Er stützte das Kinn auf die Hände.
    Wie stellte er das nur an? Die kleinsten Bewegungen faszinierten sie. Alles wirkte bei ihm so… magisch.
    Es war sicherer, sich wieder auf die Kamera zu konzentrieren. » Die Sonne steht zu hoch, das macht den Kontrast zu scharf.«
    » Du kannst nicht wollen, dass diese Welt dunkel wird«, sagte er unvermittelt.
    » Für ein Mitglied der Familie der Nacht verhältst du dich recht seltsam, oder? Abgesehen davon, dass du kein Schatten bist.«
    » Die Familie der Nacht?«
    » Na, deine Familie eben. Kunun, Atschorek, du. Ihr seid doch Prinzen und Prinzessinnen der Nacht.«
    Er setzte sich auf, sein Gesicht war ernst. » Ich war der letzte Prinz des Lichts. Ich war die Hoffnung meines Volks und habe versagt– das alles ist meine Schuld. Hier stehe ich nun und habe alles verloren. Aber mich einen Prinzen der Nacht zu nennen ist eine Beleidigung, die ich nicht hinnehmen kann.«
    » Oh, na gut. Entschuldigung. Du sitzt übrigens, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte.«
    Er blinzelte. » Wie bitte?«
    » Von wegen hier stehe ich nun und habe alles verloren. Du sitzt auf meinem Handtuch.«
    Er schüttelte den Kopf. » Ach, Hanna.«
    Sie saßen schweigend nebeneinander. Auf dem Fluss glitzerte der Sommer. Das Licht, die blendende Herrlichkeit einer Welt, die nichts von ihnen wusste.
    » Du solltest nicht hier sein«, sagte sie. » Das weißt du ganz genau. Wenn schon nicht, weil Kunun dein Bruder ist, dann wenigstens aus Respekt vor dem König.«
    » König Kunun«, meinte Mattim mit leichtem Spott in der Stimme. » Er ist bloß der König seines eigenen Elends.«
    Sie befürchtete, dass er gleich wieder mit irgendetwas Verrücktem anfangen würde. Von ihrer angeblichen Freundschaft, von ihrem verlorenen Gedächtnis. Doch er sagte gar nichts. Still beobachtete er die Leute, die etwas weiter weg picknickten. Sein Blick glitt über die Boote draußen, über die Seifenblasen. Es war, als hätte er vergessen, dass sie noch da war. Dummerweise machte seine Gegenwart sie trotzdem nervös. Lag es an seinem Blut?
    Sie horchte in sich hinein, ob sie vielleicht wieder das Verlangen danach verspürte. Tatsächlich hätte sie ihn gerne gebissen, obwohl sie satt und zufrieden war, einfach nur so, um sein Blut zu schmecken. Diesen köstlichen Geschmack und die bittere Note des Wahnsinns darin. Hanna ertappte sich dabei, wie sie ihn verstohlen von der Seite betrachtete. Wenn sie außer Acht ließ,

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