Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
nur eins: kein schlechtes Beispiel sein.
Hilda: Wechseljahresdemenz – Na sag mal, hat der sie noch alle?
Emilia: Er klang ernsthaft davon überzeugt. Immerhin ist er doch Soziologe.
Hilda: Ein Möchtegernsoziologe, der nie zu Ende studiert hat! Ich lach mich schlapp. Hilda, so einen Scheiß darf man sich von überhaupt keinem Mann anhören, schon gar nicht von dem eigenen. Das ist echt das Allerletzte … mal ganz davon abgesehen, dass wir noch lange nicht in den Wechseljahren sind. Aber ich bin trotzdem stolz auf dich … dass du Nein gesagt hast.
Emilia: Hm, danke. Aber so mutig war das gar nicht. Es ging einfach nicht anders. Da war auf einmal eine unüberwindliche Barriere. Hatte ich vorher noch nie und das macht mir Angst. Das kann jetzt alles so richtig schlimm machen, weißt du?!
Hilda: Schlaf als nächstes einfach mal auf der Couch im Wohnzimmer. Du musst seine Ansprüche senken. Du wirst sehen, das geht. Er will nur seinen jetzigen Status nicht verlieren. Das will niemand. Aber er wird sich fügen. Wenn er merkt, er kann nicht mehr mit dir machen, was er will, dann bekommt ER nämlich Angst.
Emilia: Bernhard und Angst?
Hilda: Aber Hallo!! Der ganze Typ agiert aus Angst. Jemand, der dauernd Macht ausüben und andere klein machen muss, hat sogar ziemlich viel davon.
Emilia: Ha, wovor sollte Bernhard denn Angst haben?!
Hilda: Davor, dich zu verlieren vielleicht? Ich mein, er ist n ziemlicher Kauz und nicht mehr viele Frauen da draußen sind hübsch und gleichzeitig fügsam wie du.
Wie geht’s eigentlich Miguel? Ihn diese Woche schon gesehen?
Emilia: Ach, alles nur deprimierend. Die Zukunft scheint bei dem noch lange nicht anzukommen. Manchmal würd ich am liebsten die Stadt wechseln, damit der Zwang aufhört, mein Leben im Stadtpark zu verbringen. Alles erledige ich inzwischen dort: Arbeit, Verabredungen, Mittagschlaf. Es ist total bekloppt, ich weiß. Außerdem kommt bald der Herbst und dann der Winter, und was mach ich dann???
Hilda: Da fällt mir ein, ich hab vielleicht was für dich: In Lichtenberg macht ab Dezember ein neuer Ikea auf. Hast du davon schon gehört?
Emilia: Nicht so richtig, weißt doch, Bernhard verabscheut Ikea – kulturloses Einheitsbilligzeug.
Hilda: Zum Glück müssen wir nicht alle wie Bernhard denken… Und auch nicht seine Bücher lesen! Jedenfalls, die suchen da jetzt jede Menge Leute. Auch Raumgestalterinnen, Dekorateurinnen, Assistenten für Auf- und Abbau usw. Das wär vielleicht deine Chance!
Emilia: Aber bei mir ist das doch jetzt schon so lange her…
Hilda: Emilia, nicht vorher zerdenken! Und keine Ausreden! Einfach bewerben, ja?! Und dann weitersehen. Wenn sie dich nehmen, kannst du immer noch nein sagen. Ich schick dir den link, ok?!
Emilia: Ok.
Hilda: Und, Emilia?!
Emilia: Was?!
Hilda: Du hast n coolen Sohn. Wie der dich aus der Standpauke rausgeholt hat! Trau Jo mehr zu und Bernhard weniger, dann wird’s schon. Ich muss jetzt los, zu Ikea. Marco hat mir versprochen, dass wir heut n neuen Teppich fürs Wohnzimmer holen. Die Kleine hat einfach zu oft raufgepinkelt, das kriegt man nicht mehr raus.
Emilia: Danke! Und du hast so einen normalen Mann. Das ist auch cool.
Emilia saß noch eine Weile gedankenversunken vor dem schwarzen Bildschirm ihres Laptops. Es kam ihr so vor, als würde er ihr Inneres spiegeln. Alles ging durcheinander in ihr und war gleichzeitig in Dunkelheit getaucht und nicht mehr voneinander zu unterscheiden: bei Bernhard bleiben, rübergehen, sich entschuldigen, ihn verführen, mit dem neuen roten Kleid, das für Miguel war, für den sie nicht existierte - Ihre Mutter besuchen, einfach mal ein paar Tage raus – Einen neuen Job – Wechseljahresdemenz – Ob sie das noch konnte, jeden Tag wieder unter Leute? – Es musste schön sein, wenn man mit einem Mann einfach so zu Ikea fahren und einen Teppich kaufen konnte – Wie lange würde Miguel noch mit seiner Frau zusammen sein? – Miguel, das war doch nur eine Flucht – Vielleicht würde Verreisen wirklich helfen - Jo mehr vertrauen und Bernhard nicht…Miguel war keine Flucht…
„Na, ich hoffe, die sind nicht alle für Bernhard!“
Emilia schrak zusammen und drehte das Papier hastig um, auf dem sie mit rotem Fineliner gedankenverloren vor sich hin gekritzelt hatte. Es war voller roter Herzchen. Jo stand hinter ihr. Er warf Emilia einen forschenden Blick zu, zog dabei leicht die
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