Der Triumph der Heilerin.indd
sah sie, dass er es aufrichtig meinte. Wollte sie sein Geschenk annehmen?
»Diesmal musst du mir vertrauen, Anne. Gott hat uns eine letzte Chance gegeben.« Edward beugte sich vor und ergriff Anne bei den Händen. »Komm mit mir, mein Herz, sonst wirst du immer rätseln, was mein Geheimnis ist.« Ihr Schweigen als Einverständnis wertend, zog Edward sie langsam und ohne auch nur einen Moment die Augen von ihr lassend zur Tür des Sonnenzimmers. Ihre Röcke schleiften leise raschelnd über den Steinboden.
Er hob den Riegel hoch, nahm ihren Arm und hakte sie unter. Dann sah er ihr tief in die Augen.
»Du bist die große Liebe meines Lebens, Anne. Die Zukunft kann unser sein, wenn du es willst.« Edward stieß die Tür auf. Er und die schweigende junge Frau schritten gemeinsam über die Schwelle.
Da wurden sie unerwartet von einem Licht geblendet. Jemand hatte eine große Laterne aufgestellt, um in der hereinbrechenden Dunkelheit den Flur zu beleuchten. Der König er-haschte einen Blick auf Annes Gesicht. Sie sah gleichzeitig erschrocken und freudig erregt aus.
Zusammen rannten sie die Stufen hinunter. Und da tasteten Annes Finger endlich nach denen des Königs. Er verstärkte seinen Griff, und gemeinsam verließen sie Blessing House.
Unbemerkt beobachtete Margaret Cuttifer ihre Flucht. Sie stand mit ihrem Gemahl in einem Flur, der auf die Empfangshalle mündete. Sämtliche Diener waren in die Küche verbannt worden, damit der König jederzeit gehen konnte, allein oder in
»War es richtig, ihren Brief zum Palast zu schicken?« In Mathews Stimme lag Angst.
Margaret war genauso hilflos wie er. »Sie hat uns darum gebeten. Hätten wir uns denn weigern können?«
Unter ihnen ging das große Tor von Blessing House auf und wieder zu. Anne und der König waren fort.
Mathew seufzte, und dann machte er etwas ganz Ungewöhnliches, denn er war normalerweise ein sehr zurückhaltender Mann. Er zog seine Frau an sich und küsste sie auf den Mund. »Ich bin dankbar, dass es dich gibt. Dankbar, dass du meine Frau bist. Mögen dem König und Anne dasselbe Glück beschert sein, das ich mit dir erfahren durfte.«
Zärtlich erwiderte Margaret Cuttifer seinen Kuss. »Und ich mit dir, Mann. Ich auch mit dir.«
Von draußen hörten sie das Schlagen von Hufeisen auf dem Kopfsteinpflaster, hörten, wie ein Pferd davongaloppierte.
»Die Mutter Maria möge sie behüten und vor Unglück bewahren, so wie die Mutter Gottes auch uns in unserer Ehe behütet hat, Weib.«
Margaret lehnte sich an die Schulter ihres Mannes und sah ernst zu der großen, verschlossenen Tür hinunter.
»Das gebe Gott, Mann. Amen.«
Im Westen hatte sich der Himmel rosa und silbern verfärbt, die Dämmerung brach herein. Bald würden die Brücke geschlossen und die Straßen gesperrt werden, doch jetzt noch nicht, jetzt noch nicht.
Anne de Bohun hatte ihre Arme um Edwards Hüfte geschlungen. Sie ritten durch die Straßen von Westminster. Sie spürte den lauen Wind, der sanft über den Fluss strich. Sie hörte die Stimmen von Männern und Frauen aus den großen und kleinen Häusern, an denen sie vorüberkamen. Sie sah die Schatten der Menschen, die sich in erleuchteten Zimmern bewegten. Aber dies alles hatte keine Bedeutung für sie. Die Hufe des Pferdes schlugen rhythmisch auf das Pflaster, und sie träumte wieder. Gleich würde die Wölfin sie anspringen, und das Blut würde über den Schnee spritzen.
»Was hast du gesagt, mein Herz? Schnee?« Edward lachte, und in ihren Armen, die ihn umfingen, spürte sie das Beben seiner Stimme. »Viel zu warm für Schnee. Außer .«
»Außer was?«
Er fasste die Zügel enger und trieb sein Pferd an. »Außer William hat seinen Auftrag besser erfüllt, als ich dachte.«
Ganz in der Nähe bellte plötzlich ein Hund. Das Pferd des Königs scheute. Anne verstärkte ihren Griff und presste sich an seinen Rücken, um nicht herunterzufallen.
»Wir sind fast da, mein Herz, keine Angst. Halte dich gut fest.« Der König legte eine Hand über ihre Hände, und ihre Finger verschränkten sich miteinander. Seine Stimme klang plötzlich belegt, als er sagte: »Daran kann ich mich erinnern. Deine Brüste an meinem Rücken, als wir ritten.« Anne schwieg. Auch sie erinnerte sich. Das Pferd fand wieder in seinen Rhythmus, und er sprach ruhig weiter: »Ich wollte, dass diese Reise niemals enden sollte, obwohl wir froren und hungrig waren. Ich dachte, ich hätte alles verloren, außer dich.«
»Und ich wollte für immer so
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