Der Triumph des 19. Jahrhunderts
durchsichtige Belaubung dieser Bäume bietet freilich nur einen trügerischen Schutz gegen die fast lothrechten Strahlen der Sonne. Daher auch das arabische Sprichwort: »Rechnen auf den Schutz eines Großen und auf den Schatten der Akazie.«
In Ankheyre oder Uadù Berber erreichte die Karawane den Nil, nachdem sie über Schiggre gezogen, wo sich inmitten der Berge die schönsten Quellen finden. Die einzige mit einem Zuge durch diese Wüste verbundene Gefahr liegt darin, den Brunnen von Nedjeym ausgetrocknet zu treffen, und wenn man sich sonst nicht vom Wege verirrt, was mit guten Führern kaum vorkommen kann, so hat man ernsthaftere Hindernisse nicht zu fürchten.
Die Schilderung der Leiden, welche Bruce hier erduldet haben will, muß also wesentlich abgeschwächt werden, obgleich der Bericht des schottischen Reisenden sonst meist der Wahrheit die Ehre giebt.
Die Bewohner des Berberlandes scheinen die Barbarins Bruce’s, die Berabras d’Anville’s und die Barauras Poncet’s zu sein. Ihre Formen sind schön und ihre Gesichtszüge unterscheiden sich wesentlich von denen der Neger. Sie erhalten sich diese Reinheit des Blutes, indem sie nur Töchter ihres Stammes oder eines anderen arabischen Volkes zu Frauen wählen. Die Schilderung, welche Burkhardt von den Sitten und dem Charakter dieses Volkes entwirft, ist zwar recht merkwürdig, aber keineswegs erbaulicher Art.
Porträt von Burkhardt. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Nur schwer könnte man eine Idee von der Corruption und Versunkenheit der Bewohner von Berber geben.Als Mittelpunkt lebhaften Handels, als Sammelplatz der Karawanen und als Sklavendepoi vereinigt diese kleine Stadt Alles, um sie zu einem Lieblingsplatz von Banditen zu machen. Die Handelsleute aus Daoron, auf deren Schutz Burkhardt bisher sehr mit Unrecht gezählt hatte, während sie ihn nur auszubeuten suchten, schlossen ihn, als sie Berber verließen, von ihrer Gesellschaft aus, und der Reisende mußte nun Aufnahme bei den Führern und Eseltreibern suchen, die ihm bereitwillig entgegenkamen.
Am 10. April wurde die Karawane, wenig südlich von einem Nebenflusse des Mogrea (dem Mareb Bruce’s), durch den Mek von Damer gebrandschatzt.
Letzteres ist ein Fakir-Dorf, welches reinlich und gut erhalten, recht vortheilhaft gegen den Schmutz und die Ruinen von Berber absticht. Diese Fakirs treiben Hexerei in jeder Richtung, von der einfachen Magie bis zur schamlosesten Charlatanerie. Einer derselben, sagt man, hatte sogar ein Lamm in dem Magen eines Mannes blöken lassen, das dieser geraubt und verzehrt hatte. Die höchst unwissenden Völker nehmen derlei für baare Münze, und man muß leider gestehen, daß das nicht wenig zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe in der Stadt, wie zum Gedeihen des ganzes Landes beiträgt.
Brodhändlerin von Djeddah. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Von Damer aus gelangte Burkhardt nach Schendy, wo er einen ganzen Monat verweilte, ohne daß Jemand in ihm den Ungläubigen argwöhnte. Unbedeutend zur Zeit der Reise Bruce’s, zählte Schendy später nicht weniger als tausend Häuser. Daselbst wurde lebhafter Handel getrieben, bei dem die Durrah (Hirse), Sklaven und Kameele die Stelle der Zahlungsmittel vertraten. Die gesuchtesten Artikel waren Gummi, Elfenbein, Gold in Stangen und Straußenfedern.
Die Zahl der jährlich in Schendy verkauften Sklaven erreichte nach Burkhardt wenigstens fünftausend, davon zweitausendfünfhundert für Arabien, vierhundert für Egypten, tausend für Dongola und die Küsten des Rothen Meeres.
Der Reisende benutzte seinen Aufenthalt nahe der Grenze von Sennaar, um auch über dieses Königreich Kenntnisse zu erwerben. Man erzählt unter anderen Eigenthümlichkeiten, daß der König eines Tages den Gesandten Mehemed Ali’s eingeladen habe, einer Musterung seiner Reiterei, die er für unüberwindlich hielt, beizuwohnen; der Gesandte bat ihn darauf, auch einmal das Exerciren der türkischen Artillerie in Augenschein zu nehmen. Bei dem ersten Krachen der kleinen, von Kameelen getragenen Feldgeschütze ergriffen da die Reiterei, das Fußvolk, die Zuschauer, der ganze Hof und der König mit eiligst die Flucht!
Burkhardt verkaufte seinen kleinen Waarenvorrath; der Nergeleien der egyptischen Kaufleute, seiner Reisegesellschafter, überdrüssig, schloß er sich nun an eine Karawane von Suakim in der Absicht an, das bis dahin gänzlich unbekannte Land, welches sich bis über die letzte Stadt Schendy hinaus erstreckte, zu
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