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Der Triumph des 19. Jahrhunderts

Der Triumph des 19. Jahrhunderts

Titel: Der Triumph des 19. Jahrhunderts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Anden als Hintergrund, Alles das zusammen bildet wahrlich keineswegs ein Eden.
    Die Spuren des schrecklichen Erdbebens von 1823 waren noch immer nicht ganz verwischt, und da und dort gewahrte man umfängliche Plätze von Trümmern bedeckt.
    Am 15. April stach die »Senjavine« wieder in See und schlug den Weg nach Neu-Archangel ein, wo sie nach einer durch keinen Unfall unterbrochenen Fahrt am 24. Juni eintraf. Die Nothwendigkeit, verschiedene Reparaturen vornehmen zu lassen, welche nach zehnmonatlicher Seefahrt wohl unausbleiblich sind, und die Ausschiffung allen Materiales, das die »Senjavine« für die Compagnie an Bord führte, hielten Kapitän Lütke fünf Wochen in der Bai von Sitkha auf.
    Dieser Theil der Nordwestküste Amerikas bietet einen wilden, aber pittoresken Anblick. Hohe, bis zum obersten Kamm mit einem Mantel von dichten, dunklen Wäldern bedeckte Berge bilden den Hintergrund der Landschaft. Am Eingange der Bai erhebt sich der Edgecumbe, ein jetzt erloschener Vulcan, zweitausendachthundert Fuß über das Meer. Beim Einfahren in die Bai trifft man auf ein Labyrinth von Inseln und Eilanden, hinter welchen sich mit ihrem Fort, ihren Thürmen und der Kirche die Stadt Neu-Archangel erhebt, die nur aus einer Reihe von Häusern mit Vorgärten, einem Krankenhaus und einer Werft besteht, während außerhalb der Palissaden ein ziemlich großes Dorf von Kalotchen (Indianern) liegt. Die Bevölkerung bestand jener Zeit aus Russen, Creolen, Alëuten, zusammen etwa achthundert, von denen drei Achtel im Dienste der russischen Pelzhandelsgesellschaft standen. Die Zahl der Bewohner wechselt aber sehr stark je nach den Jahreszeiten. Während des Sommers befindet sich alle Welt auf der Jagd, und ist man im Herbst kaum davon zurückgekehrt, so zieht man schon wieder zum Fischfang aus.
    Neu-Archangel selbst bietet an Zerstreuungen herzlich wenig. Es ist in der That der widerwärtigste Ort, den man sich nur denken kann, ein verwahrlostes Stück Land, traurig über jeden Begriff, in dem außer den drei schönen Monaten das ganze Jahr mehr dem Herbste als jeder anderen Jahreszeit gleicht. Für den Reisenden, der hier nur durchkommt, hat das gar nicht so viel zu bedeuten; der aber, welcher hier ständig wohnt, braucht wirklich einen guten Vorrath von Philosophie und Lust am Leben, um nicht Hungers zu sterben. Ein ziemlich bedeutender Handel wird theils mit Californien, theils mit den Eingebornen und mit fremden Schiffen getrieben.
    Die Pelze, welche die Alëuten, die Jäger der Compagnie, liefern, sind die von Ottern, Bibern, Füchsen und von »Souslics«. Daneben fangen sie Walrosse, Seehunde und Walfische, außerdem zur betreffenden Zeit Häringe, Stockfische, Lachse, Steinbutten, Aalraupen, Barsche, und sammeln »Tsouklis«, eine Muschelart, die sich auf den Königin Charlotte-Inseln findet und welche die Compagnie in Tauschgeschäften mit amerikanischen Eingebornen mit Vortheil verwendet.
    Die Letzteren, wenigstens die, welche zwischen dem 46. und 60. Breitengrade wohnen, scheinen derselben Volksrace anzugehören, was aus der Aehnlichkeit ihrer äußeren Erscheinung, ihrer Gebräuche und Lebensweise, sowie aus der Uebereinstimmung der Sprache hervorgeht.
    Die Kalotchen von Sitkha erkennen als Stammvater ihrer Race einen Mann Namens Elth an, der unter dem Schutze des »Raben«, der ersten Ursache aller Dinge, gelebt habe. Auffallender Weise spielen diese Vögel auch bei den Kadiaken, das sind Eskimos, eine sehr wichtige Rolle. Man findet, nach Lütke, bei den Kalotchen auch Ueberlieferungen von einer Sündfluth und einige Sagen, welche an die griechische Mythologie erinnern.
    Ihre Religion ist nichts Anderes als der Schamanismus. Ein unsichtbarer Gott ist ihnen unbekannt, dagegen glauben sie an böse Geister und an Zauberer, welche in die Zukunft blicken können und Krankheiten heilen – Eigenschaften, welche nur unter diesen forterben.
    Die Seele gilt ihnen also für unsterblich; die Seelen von Häuptlingen vermengen sich aber nie mit denen von Unterthanen, und die der Sklaven bleiben auch nach dem Tode noch Sklaven. Man sieht, welche trostlose Auffassung noch herrscht.
    Die Regierung ist patriarchalisch; die Eingebornen zerfallen in Einzelstämme, welche, wie das überhaupt in Amerika üblich ist, als kennzeichnenden Namen den eines Thieres führen und z. B. Wölfe, Bären, Raben, Adler und dergleichen heißen.
    Die Sklaven der Kalotchen bestehen aus Kriegsgefangenen. Das Los derselben ist ein wahrhaft

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