Der Triumph des 19. Jahrhunderts
auf demselben Wege nach Norden zurückkehren sehen und war ihr im Schlitten einen ganzen Tag lang gefolgt, dann aber wegen der Eisverhältnisse gezwungen gewesen, sein Unternehmen aufzugeben.
Sein Vater hatte ihm auch erzählt, daß ein Tschuktsche mit mehreren Begleitern einmal in einem Lederboote dahin gesegelt sei; er wußte aber weder, was diese dort vorgefunden hatten, noch was überhaupt aus ihnen geworden wäre. Er vermuthete, daß jenes Land bewohnt sein müsse, und erzählte in Bezug darauf, daß an der Insel Aratane einst ein todter Walfisch auf den Strand geworfen worden sei, der von Lanzen mit Schieferspitzen durchbohrt war, eine Waffe, deren sich die Tschuktschen niemals bedienten.
Diese Mittheilungen erschienen merkwürdig genug, um Wrangell’s Verlangen, nach jenen unbekannten Gebieten vorzudringen, nur noch zu verstärken; sie sollten jedoch erst in unseren Tagen richtig gestellt werden.
Von 1820 bis 1824 unternahm Wrangell, der sich an der Mündung der Kolyma dauernd aufhielt, vier Schlittenreisen über das Eis. Zunächst untersuchte er die Küste von der Mündung der Kolyma bis zum Cap Tchelagskoï und mußte dabei bis fünfunddreißig Grad Kälte aushalten.
Im zweiten Jahre wollte er versuchen, wie weit er über das Eis hinauf gelangen könne, und kam dabei bis einhundertvierzig Meilen vom Lande weg.
Im dritten Jahre, 1822, reiste Wrangell im März ab, um die Angaben eines Eingebornen zu prüfen, welcher das Vorhandensein eines Landes, weit draußen im Meere, behauptete.
Er erreichte dabei ein Eisfeld, auf dem er ohne Hindernisse vorwärts gelangen konnte. Weiterhin erwies sich das »Icefield« freilich weniger widerstandsfähig. Da es dem Eise an Festigkeit mangelte, eine Karawane zu tragen, so belud man zwei kleine Schlitten mit einem Nachen, einigen Planken nebst den nöthigsten Geräthen und wagte sich nun auf das unter den Füßen krachende Eis hinaus.
»Zuerst zogen wir, sagt Wrangell, sieben Werst weit über eine Salzschicht; weiterhin unterbrachen breite Spalten die Oberfläche, über welche wir nur mit Hilfe unserer Planken gelangen konnten. Hier sah ich auch kleine Hügel von so zerfließlichem Eise, daß der geringste Stoß hinreichte, diese zu zertrümmern und den Hügel in ein rundes Loch zu verwandeln. Das Eis, auf dem wir uns bewegten, war ohne Halt, kaum einen Fuß dick und außerdem mit zahlreichen Löchern durchsetzt. Das Aussehen des Meeres glich damals einem ungeheueren Morast; das kothige Wasser, welches aus den sich in allen Richtungen durchschneidenden Sprüngen emporquoll, der mit Sand und Erde vermengte schmelzende Schnee, jene kleinen Hügel, von welchen einzelne Wasserfäden herabrannen, Alles trug dazu bei, diese Täuschung zu verstärken.«
Wrangell hatte sich zweihundertachtundzwanzig Kilometer von der Küste entfernt und dabei den Rand des offenen sibirischen Meeres berührt, jener ausgedehnten »Polynja« – so lautet der Name, den er den weiten Strecken offenen Wassers gab – auf welche Leontjew schon 1764 und Hedenström 1810 hinwiesen.
Zur vierten Reise brach Wrangell von dem Cap Yakan, das heißt dem, den Ländermassen im Norden am nächsten gelegenen Punkte auf. Seine kleine Gesellschaft überschritt das Cap Tchelagskoï und wandte sich dann nach Norden; ein heftiger Sturm brach aber das nur drei Fuß dicke Eis auf und versetzte die Reisenden in die höchste Gefahr. Bald auf einer noch zusammenhaltenden großen Scholle hintreibend, bald halb im Wasser auf einer beweglichen Planke, welche einmal nur schwankte, ein andermal gänzlich überfluthet wurde, oder auf einem Eisblocke zusammengedrängt, der ihnen als Fähre diente und den die Hunde schwimmend fortschleppten, erreichten sie endlich das Ufer quer durch Eisschollen, welche im Meere donnernd und krachend aufeinander prallten. Ihre Rettung verdankten sie nur allein der Schnelligkeit und Kraft der Hundegespanne.
So endeten die Versuche, die zur Erreichung der Länder im Norden Sibiriens angestellt wurden.
Die polare Calotte der Erde wurde aber gleichzeitig von einer anderen Seite mit ebenso viel Energie, aber mit noch mehr Ausdauer angegriffen.
Man erinnert sich, mit welchem Eifer und welcher Ausdauer die vielgenannte Nordwest-Passage aufgesucht worden war. Die Friedensverträge von 1815 hatten kaum Veranlassung gegeben, eine Menge englischer Schiffe außer Dienst zu stellen und sehr viele Officiere auf Halbsold zu setzen, als die Admiralität, bestrebt, die Carriere mancher verdienstvollen
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