Der Triumph des 19. Jahrhunderts
Seeleute nicht zu unterbrechen, auf Mittel sann, für dieselben Verwendung zu finden. Diese Umstände gaben Veranlassung, die Aufsuchung einer nordwestlichen Durchfahrt wieder aufzunehmen.
Die »Alexandre« von zweihundertfünfzig Tonnen, und die »Isabelle« von dreihundertfünfundneunzig, wurden unter dem Befehle John Roß’, eines bewährten Officiers, und des Lieutenant William Parry von der Regierung abgesendet, um die Bassins-Bai zu untersuchen. Mehrere Officiere, wie James Roß, Back und Belcher, die sich durch die Polarfahrten einen geachteten Namen erwerben sollten, gehörten zu den Besatzungen. Die Schiffe gingen am 18. April unter Segel, ankerten bei den Shetlands-Inseln, suchten vergebens nach dem untergegangenen Baß-Lande, das man nach 57°28’ nördlicher Breite verlegte, und trafen am 26. Mai auf das erste Eis. Am 2. Juni kam die Küste von Grönland in Sicht. An der, auf den Karten nur lückenhaft verzeichneten Westküste fand man sehr beträchtliche Eismassen, und der Gouverneur der dänischen Niederlassung Whale-Island versicherte den Engländern, daß die Strenge der Winter seit den elf Jahren. während der er das Land bewohnte, bemerkbar zugenommen habe.
Bisher hatte man geglaubt, daß das Land jenseits des 75. Breitengrades unbewohnt sei. Die Reisenden erstaunten deshalb nicht wenig, einen ganzen Eskimostamm über das Eis ankommen zu sehen. Diese Halbwilden kannten kein anderes Volk als ihr eigenes. Sie betrachteten die Engländer, ohne sich in ihre Nähe zu wagen, und einer derselben rief die Schiffe mit lauter, fast feierlicher Stimme an.
»Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr? Von der Sonne oder vom Monde?«
Obgleich dieser Stamm in gewisser Hinsicht weit unter den Eskimos stand, welche die häufige Berührung mit Europäern schon zu civilisiren begonnen hat, so kannte er doch den Gebrauch des Eisens, aus dem es einzelnen seiner Mitglieder sogar gelungen war, Messer herzustellen. Dasselbe rührte, soviel man zu begreifen glaubte, von einem Berge her, dem jene Leute es entnahmen. Wahrscheinlich war es Meteoreisen.
Während der ganzen Reise legte John Roß – und hierüber täuschte sich die öffentliche Meinung in England auch schon vor dem Bekanntwerden der Ergebnisse derselben nicht – neben ausgezeichneten seemännischen Tugenden, doch eine unglaubliche Gleichgiltigkeit und Flüchtigkeit an den Tag. Er schien sich im Ganzen sehr wenig um die Lösung der geographischen Probleme zu kümmern, welche die Ausrüstung der Expedition veranlaßt hatten.
Ohne sie zu untersuchen, segelte er an den Wolstenholme-und Walfisch-Baien, ebenso wie an dem Smith-Sunde, der sich im Grunde der Bassins-Bai befindet, und noch dazu in so großer Entfernung vorüber, daß nichts davon zu erkennen war.
Als er dann an der Westseite der Bassins-Bai hinabsegelte, zeigte sich den spähenden Blicken der Forscher ein tief eingeschnittener Meeresarm, dessen Breite kaum unter fünfzig Meilen betragen mochte. Die beiden Schiffe fuhren am 29. August in denselben ein, sie hatten aber kaum dreißig Meilen zurückgelegt, als Roß Befehl zum Umkehren gab unter dem Vorwande, er habe deutlich eine hohe Bergkette gesehen, die sich im Hintergrunde erhöbe, und der er den Namen Croker-Berge beilegte. Diese Ansicht theilten freilich die Officiere, die nicht den geringsten Hügel wahrgenommen hatten, keineswegs, weil der Meeresarm, auf dem sie sich befanden, nichts Anderes war, als der von Bassin getaufte Lancaster-Sund, der nach Westen zu mit dem Meere zusammenhängt.
So mochte es sich überhaupt mit allen Buchten dieser so tief eingeschnittenen Küste verhalten, an der man übrigens meist in solcher Entfernung hinsegelte, daß Einzelheiten unerkennbar blieben. So machte die Expedition, an der Einfahrt nach Cumberland angekommen, gar keinen Versuch, diesen so wichtigen Punkt eingehender zu erforschen, und Roß kehrte, gleichgiltig gegen den Ruhm, den er hätte erwerben können, nach England zurück.
Der Leichtfertigkeit und Vernachlässigung seiner Aufgabe angeklagt, antwortete Roß mit stolzem Selbstbewußtsein:
»Ich wage mir zu schmeicheln, die Zwecke meiner Reise in allen wichtigen Punkten erfüllt zu haben, da ich die Existenz einer Bai, die sich von Disco bis zur Cumberland-Enge erstreckt, nachgewiesen und die Frage wegen einer nordwestlichen Durchfahrt in dieser Richtung für immer entschieden habe.«
Schlimmer könnte man sich allerdings kaum täuschen.
Der Mißerfolg dieses Versuches konnte aber die Forscher nicht
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