Der Triumph des 19. Jahrhunderts
dieser Stadt war ziemlich intelligent. Er stellte an die Engländer eine Menge Fragen, aus denen das Streben, sich zu unterrichten, deutlich hervorging, und vertraute dem Häuptling des Bezendjo-der zu den Beludschen gehört, die Aufgabe an, die Reisenden nach Kelat zu führen.
Sie saßen nach dem Alter geordnet. (S. 46.)
Die Temperatur hatte sich, gegenüber der in Bombay, auffallend geändert. Pottinger und Christie litten in den Gebirgen ganz außerordentlich von der Kälte, welche soweit ging, daß das Wasser in ihren Schläuchen gefror. »Kelat, sagt Pottinger, die Hauptstadt von Beludschistan – daher ihr Name, denn Kelat bedeutet: »die Stadt« – liegt auf einer Anhöhe im Westen einer wohlangebauten Ebene oder Thalsohle von etwa acht Meilen Länge und drei Meilen Breite. Der größte Theil dieser Landschaft ist von Gärten eingenommen. Die Stadt selbst bildet ein Viereck.
Krieger von Beludschistan. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Drei Seiten derselben umschließt eine gegen zwanzig Fuß hohe Lehmmauer mit Bastionen von zweihundert zu zweihundert Schritten, welche ebenso wie die Mauer selbst von Schießscharten für Gewehrfeuer durchlöchert sind… Ich fand keine Gelegenheit, das Innere des Palastes zu besichtigen; äußerlich bietet er nur den Anblick eines ungeordneten Haufens von Lehmhäusern mit flachen, terrassenförmigen Dächern; um das Ganze läuft eine niedrige Mauer mit Brustwehr und Schießscharten. Die Stadt selbst zählt wohl zweitausendfünfhundert Häuser, ziemlich halb so viel mögen die Vorstädte aufweisen. Sie bestehen aus halbgebrannten Ziegelsteinen und Fachwerk und sind mit Lehmmörtel beworfen. Die Straßen sind im Allgemeinen breiter, als man sie sonst in asiatischen Städten findet. Die meisten haben auf beiden Seiten für Fußgänger eine Art Trottoir; in der Mitte läuft ein offener Bach hin, der durch die große Menge Unrath und Abfälle, welche man hineinzuwerfen pflegt, und das sich oft daran anstauende Regenwasser zu einer großen Unbequemlichkeit wird, da dessen Reinigung durch keinerlei Vorschriften geregelt ist. Zur Unsauberkeit und Unreinlichkeit der Stadt trägt auch die Gewohnheit bei, die oberen Etagen der Häuser weit über die unteren nach der Straße zu vorspringen zu lassen, wodurch die unteren Stockwerke immer dunkel und feucht bleiben. Der Bazar von Kelat ist groß und mit Waaren reichlich versehen. Tagtäglich werden hier Fleisch und Küchengewächse verkauft, doch fehlt es auch nicht an Waaren anderer Art, welche alle ziemlich billig zu haben sind.
Die Bevölkerung zerfällt nach Pottinger in zwei deutlich unterschiedene Classen, die Beludschis und Brahuis, welche jede selbst wieder eine Menge einzelner Stämme bilden. Die erste Classe erinnert durch Aussehen und Sprache an die Perser der Neuzeit; die Brahuis dagegen bewahren in ihrem Idiom eine Menge alter Wörter aus der Hindusprache. Zahlreiche Vermischungen beider Classen haben endlich zur Entstehung einer dritten geführt.
Die aus den Bergen von Mekhran stammenden Beludschen sind Tunniten und betrachten als solche die vier ersten Imans als die rechtmäßigen Nachfolger Mohammed’s. Sie haben als Hirtenvolk die Fehler und Vorzüge eines solchen. Auf der einen Seite sehr gastfreundlich, sind sie jedoch sehr träg und verbringen ihre Zeit mit Spielen und Rauchen. Gewöhnlich begnügen sie sich mit nur zwei Frauen und entziehen sie, weniger eifersüchtig als andere Muselmanen, nicht so streng dem Blicke der Fremden. Dagegen besitzen sie eine große Anzahl Sklaven beiderlei Geschlechts, die sie jedoch freundlich behandeln. Als vortreffliche Schützen sind sie leidenschaftliche Jäger, dabei sehr muthig, und lieben die Razzias, welche sie als »Tchepaos« bezeichnen. Meist unternehmen diese Raubzüge die Nhernis, der wildeste und räuberischste Stamm der Beludschen.
Die Brahuis haben vielleicht noch ausgesprochener die Nomaden-Natur bewahrt. Die Männer sind erstaunlich thätig und kräftig, gleich abgehärtet gegen die Kälte der Berge wie gegen die versengende Hitze der Ebene. Im Allgemeinen klein von Gestalt, aber eben so kühn, eben so geschickte Schützen und ihr gegebenes Wort hoch haltend, zeigen sie doch weniger Raublust als die Beludschen.
»Ich habe kein anderes asiatisches Volk gesehen, sagt Pottinger, das ihnen ähnlich wäre, denn viele derselben haben braunen Bart und Haare.«
Nach nur kurzem Aufenthalt in Kelat gedachten die Reisenden, die sich noch immer für
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