Der Triumph des 19. Jahrhunderts
sich bisher begnügten, den Reisenden allerlei Hindernisse in den Weg zu legen, diese sehr ernsthaft und versuchten sie aufzuhalten. Einige Zeit hielt die Entschlossenheit der Engländer die wilden Fanatiker noch in gemessener Entfernung; mit deren zunehmender Anzahl wuchs aber auch ihr Muth, so daß sie endlich das Lager der Reisenden überfielen.
»Zwanzig Männer stürzten sich auf mich, erzählt Moorcroft; der Eine packte mich am Halse, stemmte mir das Knie in die Lenden und versuchte mich durch Zusammenschnürung meiner Cravatte zu erwürgen; ein Anderer befestigte mir einen Strick an dem einen Bein und zerrte mich nach rückwärts. Das Gewehr, worauf ich mich stützte, entfiel mir und ich sank zu Boden. Man schleifte mich geknebelt fort, bis ich die Besinnung verlor. Als ich wieder zu mir kam, malte sich auf den Gesichtern der Räuber die wildeste Freude. Aus Furcht, mich noch entwischen zu sehen, hielten mich zwei Soldaten an einem Stricke fest und versetzten mir von Zeit zu Zeit Schläge, wahrscheinlich, um mir meine peinliche Lage in Erinnerung zu bringen. Mr. Hearsay hatte einen so plötzlichen Ueberfall nicht vermuthet; er spülte sich ruhig den Mund aus, als das Getümmel anfing, und hörte meine Hilferufe nicht. Bei dem Mangel an Waffen für Alle konnten unsere Leute nichts Besonderes ausrichten; Einige entflohen, ich weiß nicht wie; Andere wurden eingefangen, ebenso wie Mr. Hearsay. Letzteren knebelte man zwar nicht wie mich, hielt ihn aber an den Armen fest.«
Der Anführer der Räuberbande erklärte nun den Engländern, sie seien ertappt worden, das Land in Verkleidung als Hindu-Pilger bereist zu haben. Einem von Moorcroft als Ziegenhirt engagirten Fakir gelang es inzwischen, mit zwei Schreiben an die englischen Behörden zu entkommen. Letztere unternahmen sofort die nöthigen Schritte, und am 1. November wurden die Reisenden in Freiheit gesetzt. Man suchte sich nicht nur auf alle mögliche Weise zu entschuldigen, sondern lieferte auch alle geraubten Gegenstände wieder aus, und der Rajah von Nepal ertheilte ihnen besondere Erlaubniß, sein Land unbehelligt zu verlassen. Ende gut. Alles gut!
Der Vollständigkeit wegen sind hier noch Fraser’s Zug nach dem Himalaya und Hodgson’s Erforschung der Gangesquellen im Jahre 1817 zu erwähnen.
Kapitän Webb hatte, wie früher erzählt, den Lauf des genannten Flusses von dem Thale von Dhoum bis Cadjani, in der Nähe von Reital, persönlich besichtigt. Kapitän Hodgson reiste am 28. Mai 1817 von letzterem Orte ab und erreichte drei Tage später die Quellen des Ganges, jenseits Gangautri. Er sah die Ursprungsquelle daselbst unter dem flachen Gewölbe einer enormen Schneemasse von mindestens dreihundert Fuß lothrechter Höhe hervordringen. Sie bildete schon einen recht ansehnlichen Wasserlauf von siebenundzwanzig Fuß Breite bei achtzehn Zoll Tiefe.
Aller Wahrscheinlichkeit nach tritt hier der Ganges zuerst an’s Tagelicht. Die weiteren Fragen, wie weit er unter dem halbgefrornen Schnee dahinfließt, ob er nur aus dem Schmelzwasser desselben entsteht oder aus dem Schoße der Erde quillt, hätte Kapitän Hodgson zwar gern erörtert, als er aber trotz Abmahnung der Führer höher zu steigen suchte, versank er bis an den Hals im Schnee und hatte große Mühe, sich wieder herauszuarbeiten. Die Stelle, an welcher der Ganges entspringt, liegt am eigentlichen Himalaya neunzehntausendneunhundert Fuß über dem Meere.
Hodgson stellte auch Nachforschungen über die Quelle der Jumna an. In Djemautri mißt die zwischen zwei perpendiculären Granitwänden gelagerte Schneemasse, aus der jener Fluß hervorbricht, hundertvierzig Fuß in der Breite und mehr als vierzig Fuß im senkrechten Durchmesser. Die Quelle selbst befindet sich am südöstlichen Ende des Himalaya.
Wohl hat sich die Herrschaft der Engländer in Indien auf einen ungeheueren Umfang erweitert, aber eben dieser Umstand birgt auch gewisse Gefahren. Alle jene verschiedenen Völker, von denen manche eine ruhmreiche Vergangenheit hinter sich hatten, wurden nur durch das bekannte politische Princip unterworfen, welches darin besteht, erst zu theilen und dann zu herrschen. Könnten dieselben aber nicht eines Tages ihre gegenseitigen Eifersüchteleien beiseite setzen und sich geschlossen gegen die Engländer wenden?
Die Compagnie verhält sich dieser Aussicht gegenüber immer »kühl bis an’s Herz hinan«, und alle ihre Schritte sind nur darauf gerichtet, das bisher so bewährte System in immer größerem
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