Der Triumph des 19. Jahrhunderts
vom Scorbut befallen war, eine abscheuliche Krankheit, welche ich gründlich kennen lernen sollte. Am Gaumen löste sich die Schleimhaut und Knochenstückchen bröckelten darunter los; die Zähne schienen in ihren Alveolen allen Halt zu verlieren; ich litt entsetzlich und fürchtete, mein Gehirn müsse von den Schmerzen in Mitleidenschaft gezogen werden, die ich am Schädel fühlte. Vierzehn Tage lang vermochte ich nicht einen Augenblick Schlaf zu finden.«
Um seine Lage noch peinlicher zu machen, brach Caillié’s Wunde von Neuem auf und er wurde von derselben wie vom Scorbut nicht eher befreit, als bis eine alte Negerin, welche vielfache Erfahrung in Behandlung dieser im Lande sehr häufigen Krankheit besaß, seine Pflege übernahm.
Am 9. Januar 1829 endlich verließ Caillié Time und begab sich nach Kimba, einem kleinen Dorfe, wo sich die nach Djenne bestimmten Karawanen zu sammeln pflegen. In der Nähe des letztgenannten Dorfes erhebt sich die, eigentlich unrichtig »Kong« benannte Bergkette, denn bei allen Mandinguos bedeutet dieses Wort eben nichts weiter als »Berg«.
Die Namen der Dörfer, durch welche der Reisende kam, und die Zufälligkeiten unterwegs bieten kein besonderes Interesse. Die Bambaras werden übrigens von den Mandinguos für freche Diebe erklärt, eine Anschuldigung, die sie jedoch nicht mehr trifft als die Ankläger selbst.
Die Frauen der Bambaras tragen alle ein Stückchen dünnes Holz quer durch die Unterlippe, huldigen also genau derselben Mode, welche Cook auch an der Westküste Nordamerikas verbreitet fand, ein Beweis, daß die Menschheit doch immer dieselbe bleibt, unter welcher Breite sie auch leben mag. Die Bambaras bedienen sich der Mandinguo-Sprache, haben aber einen eigenthümlichen, »das Kissur« genannten Dialect, über den der Reisende jedoch etwas Näheres und Verläßlicheres nicht erfahren konnte.
Djenne hieß ehemals das »Goldland«, nicht etwa, weil es dieses Metall selbst geliefert hätte, sondern weil die Händler von Boure und die Mandinguos aus Kong dasselbe häufig hierher brachten.
Die zweieinhalb Meilen im Umfang messende Stadt Djenne ist von einer zehn Fuß hohen Erdmauer umschlossen. Ihre aus lufttrockenen Backsteinen errichteten Häuser sind ebenso groß wie die der Bauern in Europa. Alle haben ein terrassenförmiges Dach und entbehren nach außen der Fenster. Es ist eine geräuschvolle, lebendige Stadt, in der täglich eine Handelskarawane eintrifft. Fremde sieht man hier in Menge. Die Zahl der Einwohner dürfte acht-bis zehntausend betragen. Von Natur fleißig und betriebsam, lassen sie auch ihre Sklaven in allen Handwerken mit arbeiten.
Den eigentlichen Großhandel haben jedoch die Mauren in den Händen. Es vergeht wohl kein Tag, ohne daß diese große Flußschiffe voll Reis, Hirse, Baumwolle, Honig, Pflanzenbutter und andere einheimische Erzeugnisse absenden.
Trotz dieser umfassenden Handelsthätigkeit sah Djenne sein Gedeihen doch ernstlich gefährdet. Der Beherrscher des Landes, Sego Ahmadu, ein blinder Schwärmer, führte jener Zeit gegen die Bambaras von Sego, die er gewaltsam zum Islam bekehren wollte, einen erbitterten Krieg. Dieser Kampf lähmte den Verkehr von Djenne in furchtbarster Weise, da er der Stadt die Verbindung mit Yamina, Sansanding, Bamakon, Boure und dadurch mit weit ausgedehnten Ländergebieten abschnitt. Die Stadt konnte also zu der Zeit, als Caillié sie besuchte, nicht als der Centralpunkt des Handels gelten, während derselbe vielmehr in den drei ersten obengenannten Städten in hoher Blüthe stand.
Die Frauen von Djenne hätten sich doch gegen ihr Geschlecht versündigt, wenn ihnen die Koketterie ganz fremd geblieben wäre. Die eleganten Damen tragen deshalb einen Ring oder irgend einen Glasschmuck an der Nase, während die minder begüterten sich damit begnügen, ein Stück rothe Seide daran zu hängen.
Während des langen Aufenthaltes in Djenne wurde Caillié von den Mauren, denen er die Fabel von seiner Geburt und Entführung durch französische Soldaten in Egypten erzählt hatte, mit Aufmerksamkeiten überhäuft.
Ansicht eines Theiles von Timbuktu. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Am 23. März schiffte der Reisende sich auf dem Niger auf einem Fahrzeuge, dessen Benutzung ihm der, durch das Geschenk eines Regenschirmes gewonnene Sherif gestattet hatte, nach Timbuktu ein. Er führte Empfehlungsbriefe an die hervorragendsten Einwohner der Stadt bei sich.
Caillié kam bei dem hübschen Dorfe Kera vorbei und
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