Der Triumph des 19. Jahrhunderts
passirte Taguetia, Sankha-Guibila, Diebe und Isaca, in dessen Nachbarschaft ein von Sego herkommender bedeutender Nebenfluß, welcher in seinem Laufe ungeheure Biegungen bildet, sich mit dem Strome verbindet; er sah ferner Uandacora, Uanga, Corocoïla, Cona und gelangte am 2. April nach der Einmündung in den großen Debo-See.
»Nach allen Himmelsrichtungen sieht man von dem See aus das Land, sagt Caillié, außer im Westen, wo jener sich zu einem wahren Binnenmeere erweitert. Wenn man seiner nördlichen, etwas nach Ostnordost abbiegenden Küste etwa fünfzehn Meilen weit nachgeht, läßt man zur Linken eine große, flache Landzunge, welche mehrere Meilen weit nach Süden zu vorspringt. Sie scheint das Fahrwasser ganz zu schließen und bildet eine Art Meerenge. Jenseits dieses Landstreifens dehnt sich der See nach Westen über Sehweite hinaus. Die eben beschriebene Landzunge theilt den Debo-See also eigentlich in zwei, einen oberen und einen unteren See. Der von Fahrzeugen am meisten befahrene, welcher auch drei Inseln enthält, ist sehr groß; nur nach Osten zu ist er beschränkt und von einer Unzahl ausgedehnter Sümpfe umgeben.«
Nach und nach erblickte der Reisende nun Gabibi, ein Fischerdorf, Didhiover, Tongom, im Lande der Dirimans, das sich weit nach Osten hin ausdehnt, ferner Co, Do, Sa, einen bedeutenden Hafen und Handelsplatz, Barconga, Leleb, Garfolo, Baracondie, Tircy, Talbocoïla, Salacoïla, Cora, Coratu, wo die Tuaregs von allen, den Fluß passirenden Schiffen eine Abgabe erheben, und endlich Cabra, das auf einer Bodenerhebung, die es gegen die Hochfluth des Djoliba schützt, erbaut ist, und das man als Hafen für Timbuktu betrachtet.
Am 20. April landete Caillié und brach nach jener Stadt auf, wo er mit Sonnenuntergang eintraf.
»Ich erblickte also jene Hauptstadt von Sudan, schreibt der Reisende, welche mir so lange Zeit als Ziel meiner Wünsche vorschwebte. Als ich die geheimnißvolle Stadt, den Gegenstand des Strebens aller civilisirten Nationen Europas, betrat, erfüllte mich ein unbeschreibliches Gefühl der Befriedigung. Ich hatte noch niemals eine solche Empfindung gehabt, und meine Freude kannte fast keine Grenzen. Leider durfte ich ihr keinen lauten Ausdruck geben; nur Gott allein vertraute ich, was mich bewegte. Wie viel hatte ich ihm nicht zu verdanken, der mein Unternehmen mit so glücklichem Erfolge krönte! Wie oft hatte er mir sichtbar seine Gnade erwiesen, daß er mich alle Gefahren und unzählige Hindernisse glücklich überwinden ließ! Als ich mich etwas mehr gesammelt hatte, fand ich freilich, daß das Bild vor meinen Augen den früheren Erwartungen keineswegs entsprach. Ich hatte mir von der Größe und dem Reichthum der Stadt ganz andere Vorstellungen gemacht; sie bietet dagegen beim ersten Anblick nichts als das Bild eines Haufens schlechtgebauter Lehmhäuser; nach allen Seiten sieht man ungeheuere Ebenen mit beweglichem, in’s Gelbliche spielendem Sande und trostlose Dürre. Der Himmel färbte sich mattroth am Horizonte; ringsum herrscht tiefes Schweigen; kein Vogel läßt seine Stimme ertönen. Immerhin hat es etwas Erhebendes, eine große Stadt mitten in einer Sandwüste zu sehen, und man bewundert unwillkürlich die Arbeit, welcher ihre Gründer sich einst unterzogen haben müssen. Was Timbuktu selbst betrifft, so glaube ich, daß der Strom früher in der Nähe der Stadt vorüberfloß, jetzt ist er von derselben nach Norden zu freilich acht Meilen und in der nämlichen Richtung von Cabra fünf Meilen entfernt.«
Weder so groß, noch so volkreich, wie Caillié sich dasselbe gedacht, fehlt es Timbuktu vor Allem an Lebhaftigkeit. Hier sieht man nicht wie in Djenne täglich Karawanen einziehen. Von einem Zusammenfluß von Fremden, wie in der letztgenannten Stadt, ist hier keine Rede, und der Markt, den man der Hitze wegen erst um drei Uhr abhält, erscheint ziemlich todt.
Timbuktu wird von Kissur-Negern bewohnt, welche von Charakter recht sanft sind und dem Handel obliegen. Eine Verwaltung giebt es nicht; im Grunde auch keine anerkannte öffentliche Gewalt: jede Stadt, jedes Dorf im Lande hat einen eigenen Herrscher, wie zur Zeit der alten Patriarchen. Viele Mauren, welche in der Stadt Timbuktu leben, treiben Handel und erwerben meist schnell ein nicht unbedeutendes Vermögen, da sie von Adrar, Tafilet, Tuat, Ardamas, Algier, Tunis und Tripolis Waaren zum Wiederverkauf auf Credit erhalten.
Nach Timbuktu wird alles Salz aus den Minen von Tudeyui auf Kameelen
Weitere Kostenlose Bücher