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Der Tyrann von Hades

Der Tyrann von Hades

Titel: Der Tyrann von Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Kapp
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aber er hatte keine Chance. Maq Ancors Ausbildung als professioneller Mörder hatte den Überlebensinstinkt zum Reflex gemacht. Er feuerte, ohne nachzudenken – und Carim Carim, ihr erster und bisher einziger Kontakt mit der Bevölkerung der Neptun-Schale, war auf der Stelle tot.
    Sine erwachte einige Minuten später aus ihrer Ohnmacht, stolperte einen Augenblick lang verwirrt umher und gewann dann ihre vollen Kräfte wieder. Sie ging zu der Leiche des Hausherrn und nahm den Hut ab, um Ancor die bizarre Maschinerie darunter zu zeigen. Ein paar Minuten lang musterte er aufmerksam die Schaltkreise, während sie besorgt die Tür bewachte, für den Fall, daß Roboter in das Gebäude eindrangen.
    »Was hältst du davon, Maq?« fragte sie.
    »Da ist etwas, das wie ein Hochleistungsfunkgerät aussieht, aber der größte Teil des Geräts scheint auf EGS zu basieren.«
    »Was ist das?«
    »Elektronische Gehirnstimulation. Man bringt diese Elektroden mit allergrößter Vorsicht in bestimmten Gehirnregionen an – im Schmerz, Lust- und Schlafzentrum und so weiter. Mit geringen Spannungen kann man fast die volle Bandbreite der menschlichen Emotionen und Funktionen stimulieren oder kontrollieren.«
    »Das ist gräßlich, Maq!«
    »Es kann von Vorteil sein. Bei manchen Patienten kann man Schmerzen mit Hilfe von EGS fast ganz abblocken, ohne den normalen Tastsinn zu beeinflussen. Auf der anderen Seite heißt es, daß man durch die Stimulation der Lustzentren Gefühle erzeugen kann, die einen sexuellen Orgasmus in den Schatten stellen.«
    »Hat sich Carim deshalb Kabel durchs Gehirn ziehen lassen? Um Aspirin und Frauen zu sparen?« fragte Sine ironisch.
    »Ich schätze nein. Aber die eigentliche Frage ist, mit wem er verbunden war. Wer drückt am anderen Ende der Leitung die Knöpfe? Die Wirkung von EGS ist heimtückisch. Die Effekte einer elektronischen Stimulation des Gehirns erscheinen dem Opfer als absolut natürlich und nicht von außen induziert. Mit einem derart komplizierten Apparat in seinem Gehirn konnte Carim Carim niemals wissen, welcher Teil seines Fühlens und Denkens sein eigener war und was ihm von außen aufgezwungen wurde.«
    »Aber wozu das alles?«
    »Sine, das ist die höchste Stufe der Tyrannei: Stell dir vor, einen Mann nicht nur von außen beherrschen zu können, sondern auch durch sein eigenes Gehirn – und er genießt es sogar noch und begrüßt es. Mit einer solchen Macht über andere ist nichts unmöglich.«
    »Das ist erschreckend.«
    »Das ist es wirklich. Sieh dir an, zu was es hier geführt hat. Eine riesige Schale ist nur von wenigen Auserwählten bevölkert, die in kompletter Übereinstimmung mit dem System arbeiten. Und währenddessen geht Zeus’ Auswanderungsprogramm schief, weil niemand, der hier eintrifft, bereit ist, das zu opfern, was einen Menschen einzigartig macht: die Individualität. Wir müssen den Tyrannen finden und ihn aufhalten, Sine.«

 
Kapitel 19
     
    Vor ihrem Aufbruch führten sie eine kurze Inspektion von Carims Haushalt durch. Nach dem Tod ihres Herrn waren die meisten unbeschädigt gebliebenen Roboter auf die Felder zurückgekehrt. Einige wenige waren damit beschäftigt, die Überreste ihrer gefallenen Kameraden wegzuschaffen. Es schien, daß lediglich die Bedrohung von Carims Leben Handlungen gegen die Anwesenheit von anderen Menschen auslöste, und die Logik diktierte, daß es nach dem Tod des Hausherrn keinen Grund mehr gab, gegen die Mannschaft der Shellback vorzugehen. Schließlich schafften die Roboter auch Carims Leiche ohne weiteres Aufhebens davon.
    Es stellte sich heraus, daß es sich bei den ›Muschelhäusern‹ gar nicht um Behausungen handelte, sondern um High-Tech-Roboterwerkstätten. Wahrscheinlich wurden dort alle vom Haushalt benötigten Produkte hergestellt: die Möbel, die Wandteppiche und Vorhänge, die Kunstwerke und die Kleidung ebenso wie Artikel des täglichen Bedarfs. Das Fehlen von Straßen auf diesem Teil der Neptun-Schale paßte wiederum ins Bild – die Produkte wurden vor Ort hergestellt und deshalb benötigte man für ihre Verteilung keine Verkehrsverbindungen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden die meisten Rohmaterialien aus den Erträgen der Höfe und der umliegenden Wildnis gewonnen; der Bedarf an Metallen und anderen nicht vor Ort erhältlichen Rohstoffen mußte außerordentlich gering sein. Carim Carim hatte behauptet, alleine in Seonasere zu leben, aber die Werkstätten und Wohngebäude boten einer viel größeren Anzahl von

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