Der Überläufer: Tweed 3
ich meine Rubel tue!«
Karlow ignorierte diese Unterbrechung und entnahm der Schublade, die auch den unvollständigen Passagierschein für Helsinki enthielt, einen grünen Ordner. Er zog ein Foto heraus, legte es zu den anderen und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Diese Akte wurde auf meine persönliche Anforderung von Moskau per Kurier hergeflogen.«
»Um was handelt es sich?« fragte Lysenko gebieterisch. »Ich darf doch annehmen, daß Sie nicht wieder halbe Sachen machen, ohne mich zu informieren?«
»Sie waren mit Rebet auf dem Flug hierher«, sagte Karlow mit demselben Gleichmut. Er hielt die Akte so, daß Lysenko den Namen auf dem Deckblatt lesen konnte. »Helene Stilmar.« Dann hielt er das Foto in die Höhe.
»Was, zum Teufel, hat das mit Procane zu tun?« fragte Lysenko.
»Gestern verbrachte ich viel Zeit damit, alle Akten noch einmal durchzulesen. Mir fiel etwas auf, was wir übersehen haben dürften. Bevor sie Beraterin des Präsidenten in Frauenfragen wurde, leitete sie eine hohe Verbindungsstelle zwischen State Department und Pentagon …«
»Und?«
»Ich habe das Rupescu-Team beauftragt, in allen Stockholmer Hotels nach dieser Helene-Stilmar zu suchen. Ihr Mann ist in Stockholm. Vielleicht ist sie auch dort.«
»Mit Stilmar kam sie nicht in Arlanda an«, warf Lysenko ein.
»Unsere Leute hätten uns das gemeldet.«
»Und wenn sie allein reiste?« warf Karlow die Frage auf.
»Warum sollte sie das tun?«
»Die Antwort auf diese Frage dürfte von entscheidender Bedeutung sein.«
»Wir sollten keine Möglichkeit außer acht lassen«, mischte Rebet sich ins Gespräch.
»Es steht noch mehr in der Akte«, fuhr Karlow fort. »Sie ist Amerikanerin der ersten Generation – mit schwedischen Vorfahren. Sie hat eine in Stockholm lebende Zwillingsschwester. Und auch einen Bruder – er ist älter als sie …«
»Niemand hat bisher die Vermutung geäußert, Procane könnte eine Frau sein«, fuhr Lysenko ihn an. »Wir reden von einem
Adam
Procane.«
»Was ein hervorragender Deckname für eine Frau wäre.«
»Aber es war Cord Dillon, der zwei Schiffskarten für die Nachtüberfahrt nach Helsinki gekauft hat«, bellte Lysenko, der jetzt mit seiner Geduld am Ende war.
»Und die Rupescu hat die Möglichkeit angedeutet«, fuhr Karlow ungerührt fort, »daß die zweite Fahrkarte für eine Frau sein könnte. Diese Frau könnte Helene Stilmar heißen.«
»Theorien! Theorien!« explodierte Lysenko. »Sie bewegen sich im luftleeren Raum. Keine harten Fakten!«
»Genau in diesem luftleeren Raum bewegte ich mich auch, als ich meine Pläne vorlegte, wie man der amerikanischen Strategie Defence Initiative, dem sogenannten Star-Wars-Programm, begegnen kann.«
»Auf der Basis von Material, das dieser Procane geliefert hat.«
»Es gibt ein Faktum, das Sie offenbar übersehen haben. Dillon hat nur für die Hinfahrt gebucht.«
»Und? Die Rupescu hat dazu keinen Kommentar abgegeben.«
»Weil sie noch etwas Wichtiges übersehen hat, General. Wenn Dillon Procane ist, hätte er seine Spur besser verwischt. Er hätte
Rückfahrkarten
gekauft.«
»Poluschkin ist ein versierter Beschatter. Dillon dachte wahrscheinlich nicht im Traum daran, daß man ihn beobachtete.«
Schon als er es sagte, wurde Lysenko klar, daß sein Argument nicht überzeugend war. Er hoffte, Karlow würde das übersehen.
Doch dieses Glück war ihm nicht gegönnt.
»Der Vizedirektor der CIA?« fragte Karlow mit ironischem Unterton.
»Also gut«, lenkte Lysenko ein. Und um seinen Rückzug zu decken, wechselte er das Thema. »Sie weisen die Rupescu an, nach Helene Stilmar zu suchen. Persönlich glaube ich, daß das nur Zeitverschwendung ist.«
Was Lysenko in Kenntnis all dessen, was Helenes Akte enthüllt hatte, nicht glaubte. Und wieder gab es einen Zeugen dieses Gesprächs, Rebet, der wenig sagte und nichts vergaß. Karlow hatte eine Frage aufgeworfen, und man mußte sie überprüfen.
»Und die GRU-Morde?« fuhr Lysenko fort. »Sind wir einer Aufklärung nähergekommen?«
»Nein. Der Killer ist nicht in die Fallen gegangen. Und es hat keine weiteren Morde gegeben, seit Poluschkin Estland verlassen hat.«
»Das ist eine ungeheuerliche Anspielung …«
»Ich stelle bloß fest, General. Sie sagen selbst, daß Fakten vor allem anderen Bedeutung haben.«
Lysenko wechselte wieder das Thema. »Ich denke, es ist Zeit, Mauno Sarin nach Tallinn einzuladen – um mit ihm über Adam Procane zu plaudern.«
»Und der englische Korrespondent Robert
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