Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey

Vom Netzwerk:

mit Make-up gespart, aber in Kombination mit Jeans und Kapuzenpullover sah sie nicht ganz so bemüht erwachsen aus wie ihre beste Freundin.
    Von ihrem Lächeln blieb nicht viel übrig, als sie von mir erfuhr, dass man Cheyennes Leiche gefunden hatte. Ich erklärte ihr, dass die Ermittlungen dadurch wieder von vorn begannen und ich ihr daher alle Fragen noch einmal stellen musste. Sie nickte und äußerte sich bereitwillig, konnte allerdings kaum etwas beitragen, was ich nicht ohnehin schon wusste. Cheyenne hatte ihr von Kyle erzählt, der sie über Facebook kontaktiert hatte.
    » Darf man sich denn bei Facebook nicht erst ab 16 anmelden? « , erkundigte sich ihre Mutter misstrauisch.
    » Das geht schon ab 13. Aber Cheyenne hat ihr Geburtsdatum geändert und sich als 19 ausgegeben. Die überprüfen das nicht weiter. « Katies Mutter sah ziemlich entsetzt aus, und hastig fuhr ihre Tochter fort: » Aber das hat nur Cheyenne so gemacht. Sie meinte, die Leute würden sie für ein Kleinkind halten, wenn sie ihr richtiges Alter angäbe. «
    » Was für Leute denn? Leute, die sie gar nicht kannte? « , fragte ich vorsichtig nach.
    Sie nickte. » Sie hat immer mit Leuten aus aller Welt gechattet. Einmal hat ihr sogar ein Australier bei einem Geo-Projekt geholfen. «
    » Dann war es also nicht das erste Mal, dass sie jemanden via Internet kennen gelernt hatte? «
    » Nein, aber zum ersten Mal wollte sie sich mit jemandem richtig treffen. Sie hatte total viele Freunde im Netz. « Katie drehte sich zu ihrer Mutter um. » Keine Sorge, ich würde so was nie machen. Ich nutze das nur, um mit anderen in Kontakt zu bleiben. Man muss da angemeldet sein, sonst ist man draußen. Du weißt ja, dass ich im Internet nur mit Leuten befreundet bin, die ich auch in echt kenne. «
    » Das war die Bedingung « , erläuterte Mrs. Harper.
    » Sehr vernünftig. « Ich verkniff mir die Bemerkung, dass eine solche Regel Cheyenne möglicherweise das Leben gerettet hätte, aber vermutlich war ich nicht die Einzige, die das dachte.
    » Warum hat er denn Kontakt zu ihr aufgenommen? «
    Katie zuckte die Schultern. » Wahrscheinlich hat er ihre Bilder gesehen, und die haben ihm gefallen. Sie hat ihr Profil für alle zugänglich gemacht. Sie fand es toll, wenn sie viel Aufmerksamkeit bekam. «
    » Bekam sie denn wirklich viel? «
    Sie wurde rot. » Ihre Bilder waren schon ziemlich… «
    » Erwachsen? « , schlug ich vor.
    » Hm. «
    » In welcher Hinsicht? «
    Katie wand sich sichtlich. » Also…auf manchen war sie in Unterwäsche zu sehen. Oder so hier… « Sie entblößte ihre Schulter und warf sich in eine glamouröse Modelpose.
    » Was? « Mrs. Harper war entsetzt. Ihre Tochter biss sich auf die Lippe. Da wurde wohl gerade einiges an Überzeugungsarbeit nötig, damit jemand sein Facebook-Konto behalten durfte.
    » Haben Sie auch mal Nachrichten von Kyle gesehen? «
    » Nur die eine, die Cheyenne uns geschickt hat. Die habe ich der anderen Polizistin schon gezeigt. « Sie meinte Marla Redmond.
    Und das war’s dann. Von Katie erfuhr ich also nichts Neues. Lily, die dank einer SMS ihrer Freundin bereits über Cheyennes Tod Bescheid wusste, war da schon deutlich hilfreicher. Allerdings musste ich zunächst warten, bis ihre Mutter sie überredet hatte, aus dem Bad herauszukommen.
    » Lily hat eine sehr lebhafte Fantasie « , flüsterte Mrs. Flynn. » Sie hatte schreckliche Albträume, weil sie ständig darüber nachgedacht hat, was ihrer Freundin passiert sein könnte. Ich weiß nicht, ob das jetzt, wo sie es weiß, besser oder schlimmer wird. «
    » Es ist immer besser, die Wahrheit zu kennen « , antwortete ich.
    » Glauben Sie? « Sie spielte mit ihrer Halskette und sah selbst ziemlich mitgenommen aus. » Bitte erzählen Sie ihr nicht allzu viele Einzelheiten, wenn sie nachfragt, ja? «
    » Ehrlich gesagt wissen wir auch noch nicht sonderlich viel. Aber ich werde aufpassen, was ich sage. «
    Schließlich erschien ein sehr blasses junges Mädchen im Wohnzimmer. Sie war sehr schweigsam und bei ihren Antworten kurz angebunden, aber durchaus bereit zu kooperieren.
    Ich hielt mich an mein Versprechen und formulierte meine Fragen bewusst vorsichtig. Schließlich wollte ich ja nicht, dass Mrs. Flynn mich nach draußen komplimentierte, noch ehe meine Liste abgearbeitet war.
    » Wissen Sie, was Cheyenne an dem Abend in diesem Nachtclub getragen hat? «
    Nicken. Gott sei Dank.
    » Können Sie mir die Kleidung beschreiben? «
    » Es war ein weißes Minikleid.