Der unsichtbare Feind (German Edition)
als sie auf die Passanten blickte. Wenn sie nur wüssten, was sich
vor ihren Augen, im Mikrokosmos, gerade zusammenbraute. Ein kalter Schauer lief
ihr über den Rücken, als sie daran dachte, was sie da durch das
Fluoreszenzmikroskop gesehen hatte. Und der Bericht des PCR hatte nur noch
verdeutlicht, wie schlimm die Lage war.
Tanja fuhr erschrocken hoch,
als ihr jemand von hinten an die Schulter griff.
„Verdammt“, schoss es ihr
durch den Kopf, sie hatte vergessen sich weiter umzusehen.
Sie kreischte hysterisch,
als sie mitsamt des Barhockers, der laut zu Boden krachte, herum schoss.
Tanja war auf das Schlimmste
gefasst, aber es hatte keinen
Sinn mehr, sie war zu müde um weiterzukämpfen. Mit ihren tränenblinden Augen
konnte sie kaum erkennen, wer vor ihr stand, aber es war ihr auch egal.
„Seien Sie still Doktor
Pavlova“, zischte eine vertraute Stimme in ihr Ohr.
Sie hatte die Stimme erst
kürzlich gehört, am Telefon.
„Wo waren Sie?“, kreischte
Tanja erschöpft und trommelte mit ihren Fäusten gegen Inspektor Starks
Brustkorb.
„Ich kann das nicht!“,
stammelte Tanja immer wieder, während Stark seine weichen Arme um sie schloss.
„Es ist alles in Ordnung“,
hauchte er in ihr Ohr, „ich werde Sie nicht mehr alleine lassen.“
Tanja zitterte am ganzen Leib,
beim krampfhaften Versuch die Tränen zu unterdrücken.
„Wer ist da hinter uns
her?“, wollte Tanja mit sorgenbehafteter Miene wissen, „und warum denkt die
Polizei, ich hätte meinen Chef getötet?“
„Ich weiß es nicht“, war
Starks wenig zufriedenstellende Antwort, „wir müssen zuerst hier weg, dann
versuchen wir ein paar Puzzleteile zusammenzufügen, versprochen.“
Stark legte seine flache
Hand in ihren Rücken und führte Tanja über den Schwedenplatz. Er bog scharf
rechts ab und wandte seine Blick ab, als ein Polizist, der aufgeregt in sein
Funkgerät plapperte, an ihnen vorbeilief. Die Uniform des keuchenden Beamten
spannte sich wie eine Wursthaut um seinen Körper. Schweißperlen liefen wie
Bäche über die Fettröllchen die sich in seinem Nacken auftürmten.
Ein letzter prüfender Blick
verriet Stark, dass der Beamte keine Notiz von ihnen genommen hatte.
Zielstrebig geleitete er
Tanja eine Treppe hinab, die zum Donaukanal führte. An der Anlegestelle im sanften
Gewässer lag die MS Danube. Über dem Bug erstreckte sich ein Freideck, an dem
runde Tische, gedeckt mit Silberbesteck, Bleikristallgläsern und komplizierter
Serviettentechnik, entlang der Reling aufgefädelt waren.
Ohne weitere Worte führte
Stark Tanja über den Bootssteg zu einem Mann in weißem Anzug dessen Kopf eine
Tellerkappe schmückte. Stark fädelte Tanjas Arm durch seinen und schritt
unbeirrt voran.
„Guten Tag“, wandte sich der
Mann ihnen zu, „Ich bin der zweite Offizier der MS Danube.“
Stark nickte und zog zwei
Karten aus seiner Sakkotasche.
Der zweite Offizier nahm sie
zwischen seine behandschuhten Finger und las. Dann zwinkerte er ihnen über den
Rand seiner rahmenlosen Brille zu: „Gute Tag Herr und Frau Acker, ich heiße Sie
herzlich willkommen an Bord der MS Danube. Wir werden in Kürze Richtung
Budapest ablegen.“
Mit einem Schritt zur Seite
und einer zackigen Handbewegung bat der die Beiden an Bord zu gehen.
Stark nickte erneut und
führte Tanja an Bord des Schiffes. Sie gingen durch einen schmalen Korridor,
der im Freideck mündete. Am Übergang wartete bereits eine junge Frau mit einem
Silbertablett, auf dem sich halb gefüllten Sektflöten aneinanderreihten.
„Hier hast du Schatz“, sagte
er zu Tanja und reichte ihr ein Glas, bevor er sich ein eigenes vom Tablett
nahm.
Die Junge Frau musterte
Tanja argwöhnisch von oben nach unten.
Tanja trug Sportschuhe, Blue
Jeans und ein trägerloses T-Shirt. Ihr Haar war zerzaust, ihre Augen
aufgeschwollen und ihre Wangen blutrot.
Stark tat es der jungen Frau
gleich und musterte Tanja vergnügt, dann wandte er sich wieder der jungen Frau
zu: „Es ist unser Hochzeitstag - der zehnte“, kicherte er, „ich habe meine Frau
vom Fitnesscenter abgeholt, es sollte eine Überraschung sein. Leider hat der
Chauffeur das Cocktailkleid meiner Frau in unserer Villa vergessen“
Die Frau hob die Augenbrauen.
„Und das ist der Grund“,
fuhr Stark fort, „warum ich ihn soeben feuern habe lassen.“
Die junge Frau räusperte
sich verlegen und senkte den Blick.
Stark ging mit Tanja im Arm
an der Frau vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
„Herr und Frau
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