Der unsichtbare Feind (German Edition)
Luft
ringend nach vorne, wo er keuchend liegen blieb.
„Sie sind auch nichts weiter
als ein räudiger Hund“, zischte der Killer verärgert.
Dann drückte er Tanja den
Lauf seiner Waffe an den Hinterkopf.
Tanja presste die Augen fest
zusammen. Jetzt, in der Stunde ihres Todes dachte sie an ihre Familie, die sie
in Tschechien zurückgelassen hatte. An fragwürdige Entscheidungen, die sie in
der Vergangenheit getroffen hatte. Entscheidungen, die immer an ihr genagt
hatten. Die Stelle in der Gerichtsmedizin anzunehmen, nur um nicht wieder nach
Tschechien zu müssen, war eine davon. Oh Gott, hatte sie die kühlen, sterilen
Räume gehasst. All die toten Menschen, die sie Tag ein Tag aus begleitet hatten.
Sie hatte ein Leben alleine in Wien, einem, wenn auch ärmlichen Leben mit ihrer
Familie vorgezogen. Schlaflose Nächte hatte sie mit der Frage verbracht, ob sie
das Richtige getan hatte. Aber das war jetzt alles egal. Jetzt würde sie
sterben. In der Stille, die sie nun umgab, konnte sie die Feder der Waffe
hören, die sich spannte, als der schwarze Mann den Abzug langsam nach hinten
drückte. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, versuchte nicht zu weinen. Sie zwang
sich dazu, nicht an das zu denken, was sie sich für ihr restliches Leben noch
vorgenommen hatte. Sie versuchte im Hier und Jetzt zu bleiben, ihrem Schöpfer
in Würde gegenüberzutreten.
Dann erklang ein lauter
Knall und Ohnmacht griff von allen Seiten nach ihr.
Kapitel 30
Stark lag benommen am Boden,
als der Knall der Pistole durch den Raum hallte. Warme Flüssigkeit besprenkelt
sein Gesicht. Er hatte einen Moment gebraucht, um zu realisieren, dass der
Knall Tanjas Schicksal besiegelt hatte. Dass die Flüssigkeit die auf seinem
Gesicht haftete, Tanjas Blut war. Stark setzte zu einem verbitterten Schrei an,
der in röchelnder Trauer mündete. Sie hatte es nicht verdient, auf diese Art zu
sterben. So sollte ein lebensfroher und hilfsbereiter Mensch, der immer ein
Lächeln auf den Lippen hatte, nicht enden. Das war nicht richtig. Stark hätte
sich ohne zu zögern für sie geopfert, wenn er nur gekonnt hätte. Immer wieder
erschien die junge Tschechin vor Starks fest zusammengepressten Augen und jedes
Mal musste er gegen eine Welle des Schmerzes ankämpfen, die ihn bei diesem
Anblick heimsuchte.
„Ich helfe Ihnen hoch,
Inspektor Stark“, sprach eine Stimme über ihm, die er nicht zuzuordnen
vermochte.
Jemand griff ihn mit beiden
Armen unter die Achseln und hievte ihn in eine sitzende Position. Durch die
glasigen Augen nahm Stark seine Umgebung nur verschwommen wahr. Er wandte sich
zu Tanja, in der Erwartung, ihren leblosen Körper vorzufinden.
Ein Lächeln entwischte ihm,
als er seine treue Mitstreiterin vor sich, sitzend mit fest zugekniffenen Augen,
sehen konnte. Sein Blick wanderte nach hinten. Der schwarze Mann lag am Boden
in einer Lache Blut, die sich um ihn ausbreitete. Daneben stand ein groß
gewachsener Mann mit silbergrauem Haar und einer Pistole in der gesenkten Hand
und zwinkerte ihm aufmunternd zu. Auch Schönborn schien unverletzt zu sein.
Stark rutschte näher an Tanja heran, schloss sie in die Arme und drückte sie
zärtlich an sich: „Es ist alles gut. Er ist tot. Der Wahnsinnige ist tot!“
Auch als er es ausgesprochen
hatte, konnte er es noch immer nicht richtig glauben. Nur um sicherzugehen,
warf er noch einmal einen prüfenden Blick auf den Leichnam des Killers. Tanja
erwiderte seine Umarmung. Nur langsam traute sie sich die Augen zu öffnen: „Und
er ist wirklich …“, sie unterbrach, als die den Mann mit der vertrauten
silbergrauen Mähne, über Starks Schultern hinweg, sah.
Tanja löste die Umarmung und
starrte den Mann an: „Doktor Haslauer?“, flüsterte sie und musterte ihn von
oben bis unten.
„Ja Doktor Pavlova. Ich bin
es“, antwortete er, setzte ein Knie am Boden ab und reichte ihr eine Hand.
Sie schüttelte den Kopf, als
würde sie ihren Augen nicht trauen. Dann reichte sie ihm mit zusammengepressten
Lippen die Hand.
Tanja legte die Stirn in
Falten: „Wie ist das möglich? Ich dachte Sie wurden …“, sie hielt inne.
„… ermordet“, ergänzte
Haslauer, „Nein, wie Sie sehen, geht es mir den Umständen entsprechend gut.“
„Wo waren Sie?“, fragte
Tanja mit Tränen in den Augen.
„Ich wurde von HumanPharm
festgehalten“, sagte er und ballte seine Hände zu Fäusten.
„HumanPharm! Ich wusste es“,
fauchte Stark verbittert.
Haslauers Haare standen in
einzelnen Strähnen wie Hörner vom
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