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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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sich selber seinen »grenzenlosen Idealismus« für »Führer und Volk« zugute gehalten hat, war an einem der letzten Tage im Bunker mit Hitlers Sekretär Martin Bormann aneinandergeraten. Im Verlauf der lautstark geführten Auseinandersetzung hatte Burgdorf den allmächtigen Vorzimmermann des »Führers« angeschrien, er habe sich wegen seiner bedingungslosen Hingabe an die gemeinsame Sache die Verachtung seiner Offizierskameraden zugezogen und den Vorwurf hinnehmen müssen, ein »Verräter« zu sein. Heute müsse er einsehen, daß seine Gegner recht gehabt hätten, daß sein »Idealismus falsch« und er selber »naiv und dumm« gewesen sei. Als der führergläubige General Krebs, der Zeuge des Ausbruchs war, dazwischengehen wollte, wehrte Burgdorf ab: »Laß mich man, Hans, einmal muß das doch alles gesagt

    werden!«

    Hitlers Chefadjutant Wilhelm Burgdorf, der Ende April 1945, im Verlauf einer lautstark geführten Auseinandersetzung, Bormann entgegengehalten
    hatte, er habe sich wegen seiner bedingungslosen Hingabe an die
    gemeinsame Sache die Verachtung seiner Offizierskameraden zugezogen.

    Die jungen Offiziere, fuhr Burgdorf fort, seien »zu Hunderttausenden in den Tod gegangen«, doch frage er sich, wofür. Die Antwort laute: weder für das Vaterland noch für die Zukunft. Jetzt erst sei ihm aufgegangen: »Für Euch sind sie gestorben … Millionen unschuldiger Menschen (sind) geopfert worden, während Ihr, die Führer der Partei, Euch am Volksvermögen bereichert habt. Gepraßt habt Ihr, ungeheure Reichtümer zusammengerafft, Rittergüter gestohlen, Schlösser gebaut, im Überfluß geschwelgt, das Volk betrogen und unterdrückt. Unsere Ideale, unsere Moral, unseren Glauben, unsere Seele habt Ihr in den Schmutz getreten. Der Mensch war für Euch nur noch das Werkzeug Eurer unersättlichen Machtgier. Unsere jahrhundertealte Kultur, das deutsche Volk habt Ihr vernichtet. Das ist Eure furchtbare Schuld.«
      Es sei nach diesen Worten, geht der Bericht weiter, ganz still im Bunker geworden. Dann habe sich Bormann »kühl, überlegt und ölig« vernehmen lassen: »Aber mein Lieber, Du mußt doch nicht persönlich werden! Wenn sich die andern auch alle bereichert haben, ich bin doch frei von Schuld … Prost, mein Lieber!«
      Bevor Wilhelm Burgdorf wenige Tage später seinem Leben ein Ende machte, wurde er von Hitler noch gleichsam ins Recht gesetzt. Nach einer der letzten Lagekonferenzen, am 27. April 1945, sprach er in Anspielung auf eine Äußerung Richelieus von alledem, was er mit dem Tod hergeben müsse, die großen Vorhaben und »teuerste Erinnerungen«. Aber dann war wieder der Spieler zum Vorschein gekommen, als der er sich zeitlebens aufgeführt hatte, der gescheiterte Hasardeur und nicht zuletzt der Mann aus dem Nirgendwo, der dabei war, unter Hinterlassung einer Riesenspur von Trümmern jeglicher Art ins Nichts zu entschwinden. »Was heißt das alles!« sagte er mit einer wegwerfenden Geste zu den versammelten Offizieren: »Einmal muß man doch den ganzen Zinnober zurücklassen!«

    DRITTES KAPITEL »Der Krieg ist verloren!«

    Der 20. April, Hitlers sechsundfünfzigster Geburtstag, brachte
    die Führung des Regimes zum letzten Mal zusammen: Goebbels, Himmler und Bormann, Speer, Ley, Ribbentrop und einige Gauleiter sowie die Spitzen der Wehrmacht. Von seinem Jagdsitz Karinhall war Göring gekommen, nachdem er noch am frühen Morgen vierundzwanzig Lastwagen mit den in Jahren angehäuften Antiquitäten, Bildern und Möbeln nach Süddeutschland vorausgeschickt hatte. Kaum war die Kolonne abgezogen, hatte er sich zur Straße nahe der Einfahrt begeben und ohne erkennbare Regung, mit einem nahezu geschäftsmäßigen Gleichmut, den Kolben in einen bereitstehenden Metallkasten gedrückt. Mit einer ungeheuren Detonation war Karinhall daraufhin in die Luft geflogen, und ohne einen Blick zurück hatte Göring zu dem Begleitoffizier gesagt: »So etwas muß man eben manchmal tun, wenn man Kronprinz ist.« Dann war er zur Geburtstagsfeier aufgebrochen. Einige Tage zuvor hatte sich unerwartet Eva Braun im Bunker eingefunden und in den hinteren Räumen des Führertrakts Quartier bezogen.
      Die Gratulationscour war in die größeren und festlicheren Räume der Neuen Reichskanzlei verlegt worden, wie unansehnlich sie infolge der zahlreichen Bombenschäden, der abgehängten Bilder und weggeräumten Möbel auch wirkten. Aber die Zusammenkunft so vieler uniformierter Würdenträger hatte noch einmal zumindest eine

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