Der Unterhändler
zweiten Tag, an diesem Haus vorbeifahren und anhand der Position des Wagenfensters an der Fahrerseite geschlossen, halb oder ganz herabgekurbelt – dem Beobachter anzeigen, was dieser wissen mußte. An diesem Tag würde das Fenster zum erstenmal ganz offen sein: Er schob einen seiner in London erstandenen S / M -Videofilme – superbrutale Ware, aber er hatte so seine Beschaffungsquellen – in sein Videogerät und machte es sich gemütlich.
Als Andy Laing die Bank verließ, befand er sich beinahe in einer Art Schockzustand. Nur wenige Menschen müssen erleben, daß ihre jahrelange mühevoll aufgebaute berufliche Karriere plötzlich in Trümmern vor ihnen liegt. Die erste Reaktion darauf ist Fassungslosigkeit, die zweite ein Nicht-weiter-Wissen.
Laing wanderte ziellos durch die engen Straßen, die sich zwischen den lärmenden Verkehrsadern der Londoner City verstecken, der ältesten Quadratmeile der englischen Hauptstadt und Handels- und Bankenzentrum des Landes. Er kam an den Mauern von Klöstern vorbei, in denen einst die Gesänge der Franziskaner, Dominikaner und Karmeliter widerhallten, an Gildenhäusern, wo Kaufleute sich versammelten, um über die Zeitläufe zu diskutieren, während Heinrich VIII . im Tower seine Gemahlinnen hinrichten ließ, vorbei an zierlichen kleinen Kirchen, von Christopher Wren nach dem Großen Brand von 1666 erbaut.
Die Männer, die an ihm vorüberhasteten, und in immer größerer Zahl auch attraktive junge Frauen, dachten an Rohstoffpreise, an Spekulationen auf Hausse oder Baisse oder an kleine Bewegungen auf dem Geldmarkt, die vielleicht einen Trend anzeigten oder nur ein Strohfeuer waren. Sie verwendeten Computer statt eines Federkiels, doch das Objekt ihrer Mühen war das gleiche wie schon seit Jahrhunderten – der Handel, das Kaufen und Verkaufen von Dingen, die andere Leute produziert hatten. Es war eine Welt, die zehn Jahre vorher Andy Laings Phantasie in ihren Bann gezogen hatte, als er gerade die Schule abschloß, eine Welt, die ihm nun für immer verschlossen war.
Er nahm ein leichtes Mittagessen in einer kleinen Sandwich-Bar abseits der Crutched Friars genannten Straße ein, wo einst Mönche herumgehumpelt waren, das eine Bein am anderen festgebunden, um sich zum höheren Ruhm Gottes Schmerzen zuzufügen. Dort faßte er einen Entschluß.
Er trank seine Tasse Kaffee aus und fuhr mit der U -Bahn zurück zu seiner Wohnung in der Beaufort Street in Chelsea, wo er vorsichtshalber Fotokopien des aus Dschiddah mitgebrachten Beweismaterials deponiert hatte. Wenn ein Mann nichts mehr zu verlieren hat, kann er sehr gefährlich werden. Laing beschloß, alles, vom Anfang bis zum Ende, niederzuschreiben, Kopien seiner Computerausdrucke beizulegen und von allem je ein Exemplar an die Mitglieder des Aufsichtsrats der Bank in New York zu schicken. Die Zusammensetzung dieses Gremiums war bekannt; die Geschäftsadressen der Mitglieder standen im amerikanischen Who’s Who.
Er sah keinen Grund, warum er still dulden sollte. Jetzt, dachte er, soll sich zur Abwechslung einmal Steve Pyle ängstigen. So schickte er dem General-Manager in Riad einen persönlichen Brief, in dem er ihm ankündigte, was er zu tun gedachte.
Zack rief schließlich um 13.20 Uhr an, auf dem Höhepunkt der mittäglichen Hauptverkehrszeit, während Laing seinen Kaffee austrank und Moss sich an einem neuen Videofilm über Kindesmißhandlungen delektierte, der gerade erst aus Amsterdam eingetroffen war. Zack stand in einer der Fernsprechzellen im Postamt von Dunstable. Wie immer rief er aus einem Ort nördlich von London an.
Quinn war seit Sonnenaufgang gewaschen und angekleidet, und an diesem Tag ließ sich die Sonne wirklich sehen. Sie strahlte von einem blauen Himmel herab, in der Luft lag ein Hauch von Kühle. Er spürte die Kälte nicht und weder McCrea noch Sam hatten ihn gefragt, ob ihm kalt sei, als er in Jeans, mit seinem neuen Kaschmirpullover über dem Hemd und einer Lederjacke mit Reißverschluß erschienen war.
»Quinn, das ist der letzte Anruf.«
»Zack, alter Kumpel, ich habe vor meinen Augen eine Obstschale, eine große Schale, und weißt du was? Sie ist bis zum Rand, buchstäblich bis zum Rand mit Diamanten gefüllt, die glitzern und funkeln, als wären sie lebendig. Kommen wir zur Sache, Zack, es ist soweit.«
Das Bild, das Quinn ihm ausgemalt hatte, warf Zack aus dem Gleis.
»Also hör zu«, sagte die Stimme am Telefon, »das sind meine Instruktionen …«
»Nein, Zack, wir machen es, wie
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