Der Unterhändler
anvertraut werden konnten.
Seine Instruktionen waren klar. Er hatte sie sich immer wieder stumm vorgesagt. Er sollte an einem bestimmten – dem folgenden – Tag um eine bestimmte Stunde eine bestimmte Adresse aufsuchen. Er sollte nicht klingeln, nur den Umschlag in den Briefeinwurf stecken, dann nach Heathrow zurückkehren und nach Houston zurückfliegen. Zum Sterben langweilig, aber einfach. Die Zeit zum Abendessen war noch nicht gekommen. Jetzt wurden die Cocktails serviert, doch da er keinen Alkohol trank, schaute er zum Fenster hinaus.
Wenn man an einem Herbsttag von Westen nach Osten fliegt, wird es rasch dunkel. Die Maschine war erst zwei Stunden in der Luft, als der Himmel sich tiefrot verfärbte und die Sterne deutlich am Himmel zu sehen waren. Während er hinausschaute, sah, er hoch über dem Jumbo ein stecknadelkopfgroßes feuriges Pünktchen, das sich durch den Schwarm der Sterne bewegte, in der gleichen Richtung wie der Jumbo. Er wußte nicht und würde es nie erfahren, daß er den Flammenstrahl von Oberstleutnant Bowers’ F -15 Eagle betrachtete, während beide Männer, jeder mit seiner eigenen Mission, der englischen Hauptstadt entgegenrasten, beide ahnungslos, was sie dorthin brachten.
Der Oberstleutnant traf als erster ein. Er riß die Dorfbewohner unter ihm aus dem Schlaf, als er zu seiner letzten Kurve auf die Landebahnbeleuchtung zu ansetzte, und landete auf die Minute genau um 1.55 Uhr Ortszeit. Der Tower dirigierte ihn, bis er schließlich, umgeben von strahlenden Lampen, in einem Hangar stehenblieb, dessen Tor sich im gleichen Augenblick schloß, als er seine Motoren abstellte. Als er die Kabinenhaube öffnete, näherte sich der Kommandant des Sützpunkts zusammen mit einem Zivilisten. Der Zivilist sprach den Piloten an.
»Colonel Bowers?«
»Ja, das bin ich, Sir.«
»Sie haben ein Päckchen für mich?«
»Ich habe ein Aktenköfferchen dabei. Direkt unter meinem Sitz.«
Er streckte die steifen Glieder, kletterte hinaus und stieg über die Stahlleiter hinunter auf den Hangarboden. Sonderbare Art, England zu sehen, dachte er. Der Zivilist stieg die Leiter hinauf und holte den Aktenkoffer heraus. Er streckte die Hand nach dem Code für das Kombinationsschloß aus. Zehn Minuten später saß Lou Collins wieder in seiner CIA -Limousine, auf der Rückfahrt nach London. Er erreichte das Haus in Kensington um 4.10 Uhr. Die Lichter brannten noch, niemand hatte geschlafen. Quinn saß im Wohnzimmer und trank Kaffee.
Collins legte den Aktenkoffer auf den niedrigen Tisch, sah sich den Zettel an und betätigte die Rädchen am Schloß. Dann nahm er das flache, beinahe quadratische, in Samt gehüllte Päckchen heraus und reichte es Quinn.
»In Ihren Händen, bei Tagesanbruch«, sagte er. Quinn wog das Päckchen in seinen Händen. Ein gutes Kilogramm.
»Wollen Sie’s aufmachen?« fragte Collins.
»Nicht nötig«, sagte Quinn, »wenn sie aus Glas oder Similis sind oder auch nur teilweise oder auch nur ein einziger Stein davon, dann hat wahrscheinlich jemand Simon Cormack auf dem Gewissen.«
»Das haben sie sicher nicht getan«, sagte Collins. »Nein, die sind schon alle echt. Denken Sie, er wird anrufen?«
»Beten Sie, daß er’s tut«, sagte Quinn.
»Und der Austausch?«
»Wir müssen ihn heute verabreden.«
»Wie werden Sie ihn abwickeln, Mr. Quinn?«
»Wie ich es für richtig halte.«
Er ging aus dem Zimmer, um ein Bad zu nehmen und sich anzuziehen. Für nicht wenige Leute sollte der 31. Oktober ein wirklich anstrengender Tag werden.
Der junge Mann aus Houston landete um 6.45 Uhr Londoner Zeit und gelangte mit nicht mehr als seiner kleinen Reisetasche mit Toilettenartikeln rasch durch die Zollabfertigung und in die Wartehalle des Terminals Nr. 3. Er blickte auf seine Uhr und stellte fest, daß er noch gute drei Stunden Zeit hatte – Zeit, um sich im Waschraum frisch zu machen, zu frühstücken und mit einem Taxi ins Zentrum des Londoner West End zu fahren.
Um 9.55 Uhr fand er sich am Eingang des hohen, unauffälligen Apartmenthauses unweit des Great Cumberland Place im Viertel um Marble Arch. Er war fünf Minuten zu früh dran und hatte die Anweisung, pünktlich zu sein. Von der anderen Straßenseite beobachtete ihn ein Mann aus einem Auto, doch davon ahnte er nichts. Er ging fünf Minuten lang auf und ab und ließ dann, Punkt zehn, das dicke Kuvert durch den Briefeinwurf der Haustür fallen. Es gab keinen Pförtner, der es aufgehoben hätte. Der Umschlag lag
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