Der Unterhändler
den Weltölpreis zum Wohl der ganzen Menschheit in die Hand. Der Prinz wird neuer König, ein hemmungsloser Säufer, der mich jede Minute des Tages um sich haben wird. Die Saudis allerdings verlieren ihr Erbe und müssen zu ihren Ziegen zurückkehren.
Die sunnitischen Araberstaaten werden ihre Lehre daraus ziehen, daß sie mit so knapper Not davongekommen sind. Angesichts der vor Wut schäumenden Schiiten, die dem Triumph so nahe waren und dann doch noch besiegt wurden, wird den weltlichen Staaten nichts anderes übrig bleiben, als den Fundamentalismus mit Stumpf und Stiel auszurotten, ehe sie ihm alle zum Opfer fallen. Fünf Jahre später wird sich ein gewaltiger Halbmond des Friedens und des Wohlstands vom Kaspischen Meer bis zum Golf von Bengalen erstrecken.«
Die fünf Männer der Alamo-Gruppe saßen schweigend da. Zwei von ihnen hatten nur daran gedacht, den Ölstrom aus Saudi-Arabien nach Amerika umzulenken, mehr nicht. Die anderen drei hatten sich bereit erklärt, dabei mitzumachen. Was sie gerade vernommen hatten, war ein Plan, ein Drittel der Welt neu zu gestalten. Moir und Cobb – aber nicht den drei anderen und schon gar nicht Easterhouse selbst – kam der Gedanke, daß der Oberst ein übergeschnappter Egomane sein müsse. Zu spät erkannten sie, daß sie in einer Achterbahn saßen, unfähig, das Tempo abzubremsen oder auszusteigen.
Cyrus V . Miller bat Easterhouse zu einem privaten Lunch in das angrenzende Speisezimmer.
»Gibt es keine Probleme, Oberst?« erkundigte er sich, als sie die frischen Pfirsiche aus seinem Treibhaus verzehrten. »Wirklich gar keine Probleme?«
»Es könnte sich eines ergeben, Sir«, sagte Easterhouse vorsichtig. »Mir bleiben noch hundertvierzig Tage bis zur Stunde X . Zeit genug, daß eine einzige gezielte Information alles zum Einsturz bringt. Es geht um einen jungen Mann, einen ehemaligen Bankmenschen … der heute in London lebt. Er heißt Laing. Ich hätte gern, daß jemand ein Wörtchen mit ihm spricht.«
»Erzählen Sie«, sagte Miller, »erzählen Sie mir von diesem Mr. Laing.«
Quinn und Sam erreichten zweieinhalb Stunden nach ihrer Flucht aus Oldenburg die nordholländische Stadt Groningen. Groningen, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, hat wie die deutsche Stadt jenseits der Grenze einen mittelalterlichen Kern: die durch einen Wassergraben geschützte Altstadt. In früheren Zeiten konnten sich die Bewohner ins Stadtinnere flüchten, ihre vierzehn Brücken hochziehen und sich hinter ihren wasserumgebenen Bollwerken verschanzen.
Der Magistrat verfügte in seiner Weisheit, daß die Altstadt von den wuchernden Industriebauten und der Beton-Obsession des 20. Jahrhunderts nicht verschandelt werden solle. Man hat sie im Gegenteil renoviert und restauriert, eine kleine Welt aus Gassen, Märkten, Straßen, Plätzen, Kirchen, Restaurants, Hotels und Fußgängerzonen, beinahe ausnahmslos gepflastert. Quinn zeigte Sam den Weg zum Hotel De Doelen am Grote Markt, wo sie ein Zimmer nahmen.
Zu den wenigen modernen Gebäuden in der Altstadt gehört auch das fünfstöckige Backsteinhaus am Rade Markt, das die Polizeiwache beherbergt.
»Kennst du jemanden hier?« fragte Sam, als sie darauf zugingen.
»Ja, von früher«, antwortete Quinn. »Vielleicht ist er inzwischen in Pension gegangen. Hoffentlich nicht.«
Er war noch nicht pensioniert. Der junge, blonde Beamte am Auskunftsschalter teilte Quinn mit, Inspektor de Groot sei jetzt Chefinspektor und Chef der Gemeente Politie. Er fragte, wen er melden dürfe.
Quinn konnte den Freudenschrei aus dem Hörer hören, als der Polizeibeamte oben anrief. Der junge Mann grinste.
»Er scheint Sie zu kennen, Mijnheer.«
Sie wurden unverzüglich in das Dienstzimmer von Chefinspektor de Groot hinaufgeführt. Er erwartete sie schon und kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen, ein kräftiger, großer Mann von blühender Gesichtsfarbe und mit schütterem Haar, in Uniform, aber auch in Pantoffeln, zur Schonung seiner Füße, die in dreißig Jahren so manche Meile auf gepflasterten Straßen abgetrabt hatten.
Die niederländische Polizei gliedert sich in zwei Zweige: die Gemeente Politie oder Gemeindepolizei und die Recherche, die Kriminalpolizei. De Groot sah man an, zu welchem er gehörte, ein Gemeindepolizeichef, dessen onkelhafte Statur und Art ihm schon vor langer Zeit bei seinen eigenen Beamten und bei der Einwohnerschaft den Spitznamen Papa de Groot eingetragen hatten.
»Quinn, nein, du lieber Himmel, Sie sind’s.
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