Der Unterhändler
abbog, die direkt in südlicher Richtung nach Apeldoorn, Arnheim, Nijmegen und Hertogenbosch führte. In Apeldoorn übernahm Sam das Steuer. Quinn kippte die Lehne des Beifahrersitzes fast waagerecht nach hinten und schlief ein. Bei dem Zusammenstoß rettete ihm sein Sitzgurt das Leben.
Nördlich von Arnheim befindet sich westlich der Autobahn das Gelände des Segelfliegervereins Terlet. Trotz der Jahreszeit war es ein sonniger Tag, im November in Holland selten genug, der die Segelflugfans ins Freie gelockt hatte. Der Fahrer des Lastwagens, der auf der rechten Spur dahindonnerte, war von dem Segelflugzeug, das sich vor ihm über der Autobahn zum Landeanflug schräg legte, so gefesselt, daß er nicht bemerkte, wie es ihn langsam nach links zog.
Sam war zwischen den Holzpfählen, die rechts von ihr das Heidemoorland säumten, und dem riesigen Schwerlaster eingeklemmt, den es auf ihre Spur zog. Sie bremste und hätte es beinahe geschafft. Das letzte Stück des schlingernden Anhängers erwischte den Sierra an der linken Vorderseite und fegte ihn von der Straße, wie man mit Daumen und Zeigefinger eine Fliege vom Tintenlöschblatt schnippt. Der Fahrer des Lastzugs bemerkte davon überhaupt nichts und fuhr weiter.
Der Sierra rollte die Böschung hinauf. Sam versuchte ihn wieder auf die Straße zu steuern, was sie geschafft hätte, wäre sie nicht mit dem rechten Vorderrad gegen einen der Holzpfähle geprallt, wodurch sie die Kontrolle über den Wagen verlor. Er raste die Böschung hinunter, wäre beinahe umgekippt, fing sich wieder und blieb schließlich stehen, bis zu den Achsen im weichen, nassen Sand steckend.
Quinn stellte seine Rückenlehne hoch und schaute sie an. Beide waren tief erschrocken, aber unversehrt. Sie verließen den Wagen.
Über ihnen donnerten Pkws und Laster in Richtung Arnheim vorüber. Das Gelände ringsum war ganz flach, so daß sie von der Straße aus leicht gesehen werden konnten.
»Das Ding«, sagte Quinn.
»Das was?«
»Das Schießeisen. Gib’s mir.«
Er wickelte den Smith-&-Wesson-Revolver und die Munition in einen der Seidenschals aus ihrem Kosmetikkoffer und vergrub alles drei Meter weit weg unter einem Busch, dessen Lage er sich genau einprägte. Zwei Minuten später stand ein rotweißer Range Rover von der Rijkspolitie über ihnen auf der Kiesböschung.
Die Beamten waren erst besorgt und dann erleichtert, als sie sahen, daß den beiden nichts zugestoßen war, und verlangten ihre Papiere. Eine halbe Stunde später wurden Sam und Quinn samt Gepäck im Hinterhof der Arnheimer Polizeidirektion in einem grauen Betonklotz an der Beek Straat abgesetzt. Ein Sergeant führte sie in einen Vernehmungsraum, wo er sie ausführlich befragte und ihre Angaben zur Person aufnahm. Es war schon nach Mittag, als er damit fertig war.
Der Repräsentant der Leihwagenfirma hatte an diesem Tag nicht besonders viel zu tun gehabt – Touristen sind Mitte November eher dünn gesät –, und war ziemlich erfreut, als er in seinem Büro am Heuvelink Boulevard den Anruf einer Amerikanerin erhielt, die sich nach einem Leihwagen erkundigte. Seine Freude ließ etwas nach, als er erfuhr, daß sie soeben auf der A 50 bei Terlet einen Sierra seiner Firma schrottreif gefahren hatte, aber er erinnerte sich an die Ermahnung der Firmenleitung, sich mehr Mühe zu geben, und hielt sich daran.
Er fuhr zur Polizeidirektion und führte mit dem Sergeant ein Gespräch. Weder Quinn noch Sam verstanden ein Wort. Glücklicherweise sprachen die beiden Holländer gut englisch.
»Der Bergungstrupp der Polizei wird den Sierra dort wegschaffen, wo er … geparkt ist«, sagte er. »Ich werde ihn dann hier abholen und in die Werkstätten unserer Firma bringen lassen. Nach Ihren Papieren sind Sie vollkaskoversichert. Wurde der Wagen in Holland gemietet?«
»Nein, in Belgien, in Ostende«, sagte Quinn. »Wir waren auf einer Rundreise.«
»So«, sagte der Mann. Er dachte: Papierkram, eine Menge Papierkram. »Möchten Sie einen anderen Wagen mieten?«
»Ja, das möchten wir«, sagte Sam.
»Ich kann Ihnen einen netten Opel Ascona besorgen, aber erst morgen früh. Er wird im Moment gewartet. Haben Sie ein Hotel?«
Sie hatten noch keins, aber der hilfsbereite Polizei-Sergeant rief im Rijn Hotel an, wo sie ein Doppelzimmer reserviert bekamen. Der Himmel hatte sich wieder überzogen, und es begann zu regnen. Der Mann von der Leihwagenfirma fuhr sie zum Hotel, setzte sie dort ab und versprach, daß der Opel am nächsten Morgen um 8
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