Der Unterhändler
viermal klingeln ließ. Dann hob er ab und sprach, ohne abzuwarten.
»Hi, Mann, schön, daß du anrufst.«
»Wie schon gesagt, du wirst blechen müssen, wenn du Simon Cormack lebend wiederbekommen willst.« Dieselbe Stimme, tief, barsch und kehlig, und gedämpft durch ein Papiertaschentuch.
»Okay, unterhalten wir uns«, sagte Quinn in einem freundschaftlichen Ton. »Also, ich heiße Quinn. Einfach so – Quinn. Kannst du mir einen Namen nennen?«
»Du kannst mich mal.«
»Hör mal, doch nicht den richtigen. Wir sind ja beide nicht bekloppt. Irgendeinen Namen. Nur damit ich sagen kann: Hi, Smith oder Jones …«
»Zack«, sagte die Stimme.
»Zet-a-ce-ka? Hör zu, Zack, du mußt diese Anrufe auf zwanzig Sekunden begrenzen, klar? Ich bin kein Zauberer. Die Schnüffler hören mit und verfolgen die Anrufe. Ruf mich in ein paar Stunden noch mal an, dann reden wir wieder. Okay?«
»Yeah«, sagte Zack und hängte auf.
Die Hexenmeister im Fernsprechamt Kensington hatten den Anruf in sieben Sekunden geortet. Wieder war es eine öffentliche Telefonzelle, diesmal im Ortszentrum von Great Dunmov, Grafschaft Essex, neun Meilen westlich des Motorway M 11 von London nach Cambridge. Eine Kleinstadt, ebenfalls nördlich von London und mit einer Polizeiwache, in der nur ein paar Mann Dienst taten. Der Beamte in Zivil erreichte die Gruppe der drei Telefonzellen achtzig Sekunden, nachdem aufgehängt worden war. Zu spät. Zu dieser Stunde – die Geschäfte schlossen und die Pubs öffneten – wimmelte es von Menschen, aber niemand war zu sehen, der verstohlen um sich blickte oder eine rötlich-braune Perücke, einen Schnauzer und eine getönte Brille trug. Zack hatte sich die dritte Hauptverkehrszeit am Tag, den frühen Abend, ausgesucht, dämmrig, aber noch nicht dunkel, denn bei Dunkelheit geht in den Telefonzellen die Innenbeleuchtung an.
Im Keller der Botschaft explodierte Kevin Brown.
»Zum Teufel noch mal, auf welcher Seite glaubt denn dieser Scheiß-Quinn eigentlich zu stehen?« fragte er. »Er behandelt diesen Kerl, als wär’ er etwas ganz Besonders.«
Seine vier Agenten nickten unisono.
In Kensington stellten sich Sam und McCrea eine ganz ähnliche Frage. Quinn legte sich seelenruhig auf die Couch, zuckte mit den Achseln und nahm seine Lektüre wieder auf. Im Unterschied zu den Neulingen wußte er genau, daß es auf zwei Dinge ankam: Er mußte versuchen, sich in den Mann am anderen Ende der Leitung hineinzuversetzen, und er mußte sich bemühen, das Vertrauen dieses Unmenschen zu gewinnen.
Er hatte bereits den Eindruck, daß dieser Zack nicht auf den Kopf gefallen war. Bislang hatte er jedenfalls nicht viele Fehler gemacht, sonst wäre er inzwischen geschnappt worden. Er mußte sich also im klaren darüber sein, daß seine Anrufe mitgehört wurden und daß man herauszubekommen versuchte, von wo aus er telefonierte. Quinn hatte ihm nichts erzählt, was er nicht bereits wußte. Er versuchte nichts anderes – so widerwärtig ihm das auch war –, als eine Brücke zu bauen, ganz allmählich das Fundament einer Beziehung zu schaffen, die, so hoffte er, den Verbrecher unwillkürlich glauben machen mußte, Quinn und er hätten ein gemeinsames Ziel – ein Tauschgeschäft – und die Bösen seien eigentlich die Behörden.
Seine in England verbrachten Jahre hatten Quinn gelehrt, daß der amerikanische Akzent auf britische Ohren manchmal wie der freundlichste Tonfall der Welt wirkt. Es hatte etwas mit der gedehnten Sprechweise zu tun. Angenehmer als die knappe englische Art zu sprechen. Er hatte noch eine Spur gedehnter gesprochen als sonst. Es war wichtig, Zack nicht den Eindruck zu geben, als werde er von oben herab behandelt oder Quinn mache sich in irgendeiner Weise über ihn lustig. Und überaus wichtig war auch, daß Quinn sich nichts davon anmerken ließ, wie sehr er diesen Mann haßte, der einen Vater und eine Mutter dreitausend Meilen weit entfernt Folterqualen aussetzte. Quinn war so überzeugend, daß Kevin Brown darauf hereinfiel.
Cramer hingegen nicht.
»Wenn er diesen Halunken nur ein bißchen länger am Telefon festhielte«, sagte Commander Williams. »Einer unserer Kollegen auf dem Land könnte ihn vielleicht zu Gesicht bekommen, oder wenigstens sein Auto.«
Cramer schüttelte den Kopf.
»Noch nicht«, sagte er. »Unser Problem ist, daß die Kollegen in den kleineren Revieren der Grafschaften nicht dafür geschult sind, Leute zu beschatten. Quinn wird später versuchen, die Gesprächsdauer
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