Der Väter Fluch
der schul. Jemand vom Tolerance Center will dort über die antisemitischen Gruppierungen sprechen. Es werden bestimmt viele Leute kommen, denn ich hab in der ganzen Gegend Einladungen verschickt und mehr als hundert Anmeldungen erhalten. Allein von der First Baptist Church haben sich über zwanzig Leute angemeldet.«
»Eine ganze Menge Täufer unter eurem Dach...«
»Für die Wasserrechnung bin ich nicht verantwortlich«, erklärte Rina. »Und für das Wochenende darauf habe ich zugesagt, sonntags an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen.«
»Vielleicht solltest du dich mal als Polizeiexpertin für rassistische und ähnliche Straftaten bewerben. Deine Leute mit meinen Leuten zusammenbringen. Meinst du, für deinen Ehemann ist irgendwo noch Platz in deinem Terminkalender?«
Sie sah ihn mit verführerischem Lächeln an. »Jetzt gerade hätte ich etwas Zeit.«
»Ich hab eigentlich nicht von Sex geredet, aber darauf kommen wir noch zurück. Ich meinte tatsächlich, dass du für mich was tun sollst. Ich brauche deine Hilfe.«
Rinas Züge hellten sich merklich auf. »Wirklich?«
»Ja, wirklich«, antwortete Decker. »Seit den Verwüstungen in der Synagoge hast du dich doch ständig mit solchen Straftaten befasst.«
»Bloß mit der Gesetzeseingabe 1082. Es fehlt nur noch so viel, und das Gesetz geht durch.« Sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von ungefähr zwei Zentimetern. »Dann ist es nicht mehr nur eine moralische Richtlinie. Eine weitergefasste Definition derartiger Hassverbrechen wird auch euch die Arbeit erleichtern.«
»Ich bin schon überzeugt. Und bei deiner Lobbyarbeit hast du doch auch im Internet nach solchen Gruppen recherchiert, nicht? Wenn du dich darüber mit Tom Webster unterhalten könntest, würdest du mir einen großen Gefallen tun.«
»Aber gern!«, sagte Rina. »Wenn er einen richtigen Überblick haben will, werde ich ihn einigen Leuten im Zentrum vorstellen.« Rina schwieg einen Moment. »Aber du tust das nicht rar, um mich bei Laune zu halten, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Ich hab heute mit Tom darüber gesprochen. Warum soll er sich dumm und dämlich suchen, wenn du schon so viel Arbeit geleistet hast? Du wärst uns eine große Hilfe.«
»Sehr schön! Und jetzt, wo schon mal die ganze Familie zusammen ist, könnten wir doch was gemeinsam unternehmen.«
»Was, zum Beispiel?«
»Zum Beispiel ins Kino...« Sie schlug sich vor den Kopf. »Du musst wieder zur Arbeit, stimmt's?«
»Ja. Aber das soll euch nicht davon abhalten, euch zu amüsieren.«
»Klar.« Rinas Lächeln war nicht mehr so strahlend. »Als du am Flughafen warst, hab ich mit Jacob gesprochen«, sagte Decker.
»Über Ernestos Tod?«
»Ja.«
»Und?«
»Natürlich geht es ihm sehr nahe. Es ist ja auch furchtbar. Ich hoffe, ich konnte ihm helfen, aber ich bin mir da nicht sicher.«
»Du musst was Richtiges gesagt haben. Beim Abendessen sah er richtig glücklich aus.«
»Das liegt eher an Sammys Anwesenheit. Er liebt seinen großen Bruder sehr. Ich wusste gar nicht, wie sehr, bis ich die beiden eben bei der Begrüßung gesehen habe.«
»Ja, sie haben sich sehr gern.«
Decker spürte einen Kloß im Hals. »Danke, dass du mir so wunderbare Kinder geschenkt hast.«
Rina schlang die Arme um seinen Hals. »Mal sehen, ob du das immer noch sagst, wenn du die Rechnungen vom College bezahlen musst.«
Oliver fuhr sich mit der Hand durch die schwarzen und inzwischen fettigen Haare. Ihm war heiß, er fühlte sich verschwitzt und brauchte dringend eine Dusche. »Wenn das stimmt, was Jacob sagt, dass die Baldwins ihren Einfluss benutzten, um Jugendliche an Unis unterzubringen, dann tun sich plötzlich ganz neue Motive für den Mord auf.«
Es war neun Uhr abends, und Decker hatte alle in einen Verhörraum bestellt, weil dort mehr Platz war. Er saß am Kopfende des Tisches, auf der linken Seite Webster, Martinez und Wanda Bontemps, auf der rechten Oliver und Dunn. Nach Teams geordnet, nicht nach Geschlecht. Sie waren alle ziemlich geschafft, und Decker gab ihnen Extrapunkte für ihren Einsatz. Ordner, Schnellhefter und Zettel lagen ausgebreitet auf dem Tisch, dazwischen standen leere Pizzakartons und lauwarmer Kaffee in Plastikbechern.
Sie warteten darauf, dass die ersten Berichte hereinkamen. Besonders wichtig waren die der Ballistik. Sie waren alle sehr gespannt, ob Dee Baldwin mit Kugeln aus derselben Waffe erschossen worden war wie ihr Mann und Ernesto Baldwin. Decker hatte um höchste Eile gebeten, aber das
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