Der Vampir der mich liebte
der Bar, und ich staunte nicht schlecht, als ich den Parkplatz für Angestellte vollkommen zugeparkt mit Autos vorfand. Von der Straße aus war das nicht zu sehen gewesen.
»Oh, toll!«, rief Claudine. »Eine Party!« Sie sprang begeistert aus dem Auto. Ich hatte immerhin die Genugtuung, Chow völlig benommen zu sehen beim Anblick von Claudine. Es ist schwer, einen Vampir wirklich in Erstaunen zu versetzen.
»Gehen wir rein«, sagte Claudine fröhlich und nahm mich bei der Hand.
Kapitel 9
Jeder Supra, den ich je kennen gelernt hatte, war im Merlotte's. Oder vielleicht schien es mir nur so, weil ich todmüde war und einfach bloß allein sein wollte. Das ganze Werwolfrudel war da, alle in menschlicher Gestalt und alle auch mehr oder weniger bekleidet, zu meiner großen Erleichterung.
Alcide trug khakibraune Hosen und ein blau-grün kariertes Hemd, das nicht zugeknöpft war. Schwer zu glauben, dass er wirklich auf allen vieren laufen konnte. Die Werwölfe tranken Kaffee oder anderes Alkoholfreies, und vor Eric (der gesund und munter wirkte) stand eine Flasche »TrueBlood«. Auf einem Barhocker saß Pam in einem graugrünen Trainingsanzug, und es gelang ihr, darin höchst sittsam und sexy zugleich auszusehen. Im Haar trug sie eine Schleife und an den Füßen perlenbestickte Turnschuhe. Sie hatte Gerald mitgebracht, einen Vampir, dem ich bereits zwei-, dreimal im Fangtasia begegnet war. Gerald sah aus wie dreißig, aber ich habe ihn mal von der Prohibitionszeit reden hören, und es klang, als hätte er sie selbst mitgemacht. Schon das Wenige, das ich von Gerald wusste, hatte in mir nie den Wunsch aufkommen lassen, ihn näher kennen zu lernen.
Sogar in dieser Gesellschaft rangierte mein Auftritt mit Claudine nur knapp unterhalb der Sensation. Im helleren Licht der Bar erkannte ich, dass Claudines genau an den richtigen Stellen gerundeter Körper in einem orangen Strickkleid steckte und ihre langen Beine auf den höchsten aller Stöckelschuhe daherkamen. Sie sah aus wie eine zum Anbeißen aufreizende Schlampe in der Magnumausgabe.
Nein, sie konnte kein Engel sein - jedenfalls nicht so, wie ich mir Engel vorstellte.
Ich sah von Claudine zu Pam und fand es ungeheuer ungerecht, dass die beiden so appetitlich und anziehend wirkten. Das hatte mir noch gefehlt. Jetzt fühlte ich mich auch noch unattraktiv, und nicht bloß erschöpft, verschreckt und verwirrt! Träumt nicht jedes Mädel davon, einen Raum an der Seite einer hinreißenden Frau zu betreten, auf deren Stirn praktisch schon »Ich will Sex« eintätowiert ist? Wenn ich nicht in diesem Augenblick Sam entdeckt hätte, den ich in diese ganze Angelegenheit hineingezogen hatte, hätte ich mich auf dem Absatz umgedreht und wäre wieder hinausmarschiert.
»Claudine«, sagte Colonel Flood. »Was machst du denn hier?«
Pam und Gerald starrten die Frau in Orange aufmerksam an, als erwarteten sie, dass sie sich jeden Moment die Kleider vom Leib reißen würde.
»Mein Mädchen hier« - und Claudine neigte ihren Kopf zu mir hinüber - »ist hinter dem Steuer eingeschlafen. Wie kommt es, dass du nicht besser auf sie aufpasst?«
Der Colonel, bekleidet wie nackt die Würde in Person, wirkte ein wenig verdutzt, als hörte er es zum ersten Mal, dass es seine Aufgabe war, für meinen Schutz zu sorgen. »Äh...«
»Jemand hätte mit ihr ins Krankenhaus fahren sollen«, sagte Claudine und schüttelte ihr langes schwarzes Haar, das wie ein Wasserfall an ihr herabfloss.
»Ich hab's ihr ja angeboten«, fuhr Eric empört dazwischen. »Aber sie fand es zu verdächtig, mit einem Vampir im Krankenhaus aufzukreuzen.«
»Oh, hallo, groß und blond und tot «, sagte Claudine. Sie musterte Eric von oben bis unten, und ihr gefiel, was sie sah. »Tust du immer das, worum menschliche Frauen dich bitten?«
Na, herzlichen Dank, Claudine , sagte ich lautlos zu ihr. Ich sollte auf Eric aufpassen, und jetzt würde er nicht mal mehr die Tür zumachen, wenn ich ihn darum bat. Gerald beäugte Claudine immer noch genauso sprachlos wie vorhin. Ob es wohl irgendwem auffiele, wenn ich mich einfach auf einen der Tische zum Schlafen legte, schoss es mir durch den Kopf. Genau wie eben Pam und Gerald fasste Eric Claudine plötzlich schärfer ins Auge und schien sich gar nicht von ihrem Anblick losreißen zu können. Ich dachte, wie Katzen, die plötzlich eine Bewegung an der Fußleiste sehen, als große Hände mich fassten, herumwirbelten und Alcide mich in die Arme schloss. Er hatte sich
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