Der Venuspakt
bat Tao ihn in ein
großzügiges Loft und forderte ihn mit einer beiläufigen Handbewegung auf,
er möge es sich auf ihrem riesigen weißen Sofa bequem machen.
«Ich schätze, es gibt nichts, was ich dir zu Trinken anbieten kann?» Sie
schien keine Antwort zu erwarten und ging zum Kühlschrank, um sich selbst
einen Drink aus Gin, Lemon und Tonic zu mixen. Fasziniert beobachtete
Kieran die weichen, harmonischen Bewegungen der Frau. Es schien fast, als
schwebe sie, und er hätte schwören können, dass ihre Füße den Boden kaum
berührten. Dennoch konnte er weder Magie noch eine Verbindung zur Ander-
welt spüren.
Schließlich setzte sie sich ihm gegenüber auf einen gepolsterten Würfel.
Endlich nahm Kieran zumindest eine Beschleunigung des Pulses seiner Gast-
geberin wahr und sagte: «Kieran. Ich bin Kieran – und sehr neugierig!»
Ein Lächeln huschte über Taos Gesicht: «Danke!»
Sie nahm einen Schluck von ihrem Getränk und fuhr sich mit ihrer Zun-
ge über die Lippen. «Kieran, ich weiß, was ...», sie stockte und errötete leicht,
während sie sich korrigierte, «wer du bist.» Er schwieg und sie fuhr, nun doch
nervös, fort: «Dort wo ich herkomme, China, haben wir immer versucht, das
Geheimnis der Unsterblichkeit zu ergründen. Mein Vater hatte einen Freund
...» Sie schwieg und man konnte Schmerz auf ihrem klaren Gesicht erkennen.
«Dieser Freund war wie du. Er hat uns vertraut und unsere Familie kümmer-
te sich bereits seit Jahrhunderten um sein Wohlergehen. Eines Tages kehrte
er nicht mehr zurück. Ich wusste sofort, dass etwas Furchtbares geschehen
war!»
Kieran wartete geduldig.
«Es waren immer Frauen, die unsere Familientradition fortführten, und wir
alle hatten ein Talent für die Kunst des Kampfes.»
Ein leises Lächeln huschte durch die Gedanken des Vampirs. Zu deutlich wa-
ren die Parallelen zur Familie seiner Haushälterin Sandra, die allerdings eher ein
beachtliches Geschick im Umgang mit Waffen besaß, das man dieser freundli-
chen, mütterlichen Person auf den ersten Blick niemals zugetraut hätte.
«Der Meister hat uns unterwiesen. Ich vermisse ihn so sehr!»
«Wie lautet sein Name?»
«Xiao Chen.»
Bedauern zeigte sich auf Kierans Gesicht. Tao ließ ihren Kopf hängen und
flüsterte: «Ich wusste es!» Und zwischen ihren dunklen Wimpern glitzerten
Tränen.
«Tao! Er weilt nicht mehr unter uns! Aber ich kann dir meinen Schutz an-
bieten, solange du in dieser Stadt lebst.»
Sie hatte keine Worte, aber nickte vehement. Schließlich wisperte sie: «Ich
werde mich revanchieren!»
Und das tat sie durchaus. Xiao Chens Leben war sagenumwoben. Er war ein
geborener Vampir, so hieß es, und mit Sicherheit gut doppelt so alt wie Kieran.
Niemand kannte die Hintergründe seines Verschwindens, aber Chens Kampf-
technik lebte in Tao Yin – und dieses Wissen gab sie vorbehaltlos an Kieran
weiter.
Die Chinesin lebte noch immer hier. Erst kürzlich war sie mit ihrer Kampf-
kunstschule in eine stillgelegte Textilfabrik gezogen. Das gesamte Areal war
renoviert und begrünt worden und wo früher die Näherinnen über ihre Ma-
schinen gebeugt gesessen hatten, hockten heute Designer bis spät in die Nacht
vor ihren flimmernden Computerbildschirmen. Bäume, Grasflächen und eine
Sonnenterrasse milderten die monumentale Strenge der wilhelminische Ar-
chitektur und die Backsteine der Gebäude leuchteten wie frisch gewaschen
im weichen Licht alter Laternen.
Behutsam lockerte Kieran seinen mentalen Schutz, gerade weit genug, um
die Kreaturen der Nacht spüren zu können, ohne selbst entdeckt zu werden.
Er war sehr gut darin, vielleicht der beste. Zufrieden dachte er daran, wie häu-
fig ihm dieses Talent bereits das Leben gerettet hatte. Ein Moment der Unacht-
samkeit und womöglich wären andere Vampire auf Tao und ihre bemerkens-
werten Talente aufmerksam geworden. Er hatte ihr sein Wort gegeben, dass
dies nie geschehen würde.
Alles war sicher und niemand war ihm gefolgt. Kieran war gerade dabei, die
schützenden Schatten zu verlassen, als er auf eine Szene aufmerksam wurde,
die sich hinter den hohen Fenstern der Fabrik abspielte. Eine Schrecksekunde
lang glaubte er, Tao zu Hilfe eilen zu müssen, doch dann wurde ihm klar, dass
sich hier zwei Kombattanten einen Wettstreit auf gleichem Niveau lieferten.
Fasziniert hielt er sich weiter verborgen, kam aber ein wenig näher heran,
um die wirbelnden Gestalten in einem der hell erleuchteten Schulungsräume
besser
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