Der Venuspakt
getrübten Augen des Sterblichen an
ihre gefälligen Rundungen. Er öffnete eben seinen Mund, vermutlich, um ihr
Obszönitäten ins Ohr zu lallen, da stand der Lykanthrop bereits schützend
vor ihr. Der Barbesitzer kam ebenfalls rasch näher, und schon tauchten auch
Kieran und Asher gleichzeitig rechts und links neben dem Trunkenbold auf.
Niemand hatte gesehen, wann sie von ihrem Tisch aufgestanden waren. Alle
Gespräche verstummten und die Musik schien auf einmal sehr laut.
«Kann ich helfen?» Kierans Stimme klang gelangweilt und ein wenig spöt-
tisch. Doch nur seine jahrhundertealte Disziplin hielt ihn davon ab, dem
schmierigen Kerl auf der Stelle das Genick zu brechen. Er rang kurz mit dem
Dämon reiner Blutgier, doch sein Verstand gewann schließlich die Oberhand
und der Vengador befahl dem überraschten Sterblichen mit einem tiefen Blick
in seine Augen: Verschwinde und richte nie wieder ungefragt ein Wort an die beiden Frauen!
Hastig befolgte der diesen eindeutigen Befehl, als hätte sein gefährlicher
Gegner die Warnung laut ausgesprochen.
Kierans Anspannung ließ ein wenig nach und die umstehenden Leute
wandten sich wieder ihren Gesprächen zu, als wäre nichts geschehen. Der
Wirt nickte den beiden Vampiren kurz zu, bevor er sich weiter um das Wohl
seiner Gäste kümmerte.
Nuriya starrte ihren Retter einen Moment wortlos an.
«Vielen Dank!», würgte sie schließlich heraus und fühlte zu ihrem Entset-
zen, wie eine unangenehme Wärme in ihr aufstieg. Zweifellos glühte ihr Ge-
sicht wie eine überhitzte Herdplatte.
«Keine Ursache!» Und weil er nichts weiter zu sagen wusste, verbeugte er
sich knapp und schritt steifbeinig davon.
Sie duftet nach Maikraut!, dachte er verträumt. ›Götterspeise‹ nannten die
Sterblichen eine mit dieser Pflanze gewürzte Leckerei. Das Frühlingskraut be-
deckte mancherorts die Waldböden wie ein weiß getupfter Teppich, und Kie-
ran fühlte sich in die Eichenhaine seiner Heimat versetzt. Er atmete tief ein,
glaubte ihre süße Frische zu schmecken und das Wasser lief ihm im Munde
zusammen, ohne dass er die sonst allgegenwärtige Blutlust verspürte. Nuriyas
Duft schien ihm zu folgen.
«Wer bist du?», flüsterte sie und ihre Stimme jagte wohlige Schauer über
seine Haut. Doch der Vampir widerstand der Versuchung, auf dem Absatz
umzukehren, sie zu küssen und hier in aller Öffentlichkeit seinen Besitzan-
spruch deutlich zu machen. Er erinnerte sich an ihre kämpferischen Talente
und dachte schmunzelnd, dass sie ihm ein solches Verhalten sicherlich nicht
widerstandslos gestatten würde.
Bitte, sag mir deinen Namen! , bat Nuriya, doch sie erhielt keine Antwort.
Als sie die Hoffnung bereits beinahe aufgegeben hatte, er könnte sie ver-
standen haben, schwebte ein Name durch ihren Kopf : Kieran. Er hätte sich ohrfeigen können. «So viel zum Thema ›niemals unliebsame
Aufmerksamkeit erregen‹!», knurrte er verdrossen.
Was war nur in ihn gefahren, ihr die Erinnerung an sein Eingreifen zu las-
sen und ihr obendrein noch seinen Namen zu verraten? Welche unsichtbare
Verbindung bestand zwischen ihnen, dass sie alle Barrieren überwunden hat-
te und, offenbar völlig mühelos, in seine Gedanken gelangt war?
Die beiden Frauen blickten sich an und begannen zu kichern.
«Das Testosteron fliegt heute tief», lachte sein bezaubernder, rothaariger Ko-
bold mit kehliger Stimme, die allen anwesenden Männern die Haare zu Berge
stehen ließ. Dann nahm sie ihre Schwester bei der Hand. «Lass uns gehen!»
«Erik!», schnurrte nun die andere. «Hörst du? Wir gehen!»
Der Lykanthrop schien endlich aus seiner Starre zu erwachen, warf Kieran
und Asher einen warnenden Blick zu und eilte an die Seite seiner Freundin.
Schützend schob er die beiden Frauen vor sich auf die Straße. Kieran be-
wunderte seinen Mut. Zweifellos kannte zumindest er die wahre Natur der
dunklen Schutzengel.
Und dann schaute sie ihn noch einmal an. Die Zeit schien stillzustehen. In-
teresse blitzte in ihren grünen Augen, als ihre Blicke sich für Sekunden trafen.
Dann umspielte ein vielversprechendes Lächeln ihre Lippen, bevor sie end-
gültig in der Nacht verschwand: Ich bin Nuriya!
«Liebe Güte! Sie flirtet mit dir!», brach es wenig später aus Asher heraus.
«Sie weiß nicht, was sie tut!», grollte Kieran.
«Du denkst doch nicht etwa daran, dich mit einer Sterblichen einzulassen?
Der Rat ließe das nicht zu. Abgesehen davon würde die Kleine ein Verhältnis
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