Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
erste Wahl richtig, wird alles andere daraus folgen. Ist sie falsch, hat das einzig Ärger zur Folge.« Die Entenfrau beugte sich herab. »Lass dir niemals anmerken, dass du wählst. Es muss einfach aus dir kommen, ohne Zögern.«
Wir wurden durch ein Hämmern von Eisen auf Eisen unterbrochen, das mich überraschte. Dieses Getöse hatte ich nicht ein einziges Mal vernommen, seit mich Federo herbrachte. Tirelle blickte auf, und ihre Lippen zuckten.
»Deine nächste Mistress ist da«, sagte sie.
Einen Moment lang dachte ich, dass ich nun Mistress Tirelle los wäre. Die Erleichterung muss mir im Gesicht abzulesen gewesen sein, denn ihre Augen wurden schmal, und das Lächeln, das nicht wirklich da gewesen war, schwand mit der Endgültigkeit einer zufallenden Tür. Sie hob die Hand, um mich zu schlagen, dann beherrschte sie sich und sagte nur: »Komm mit.«
Wir schritten zu dem dunklen Tor, durch das ich gekommen war. Der Bogen war weit genug, eine Kutsche durchzulassen, doch in dem schweren Tor ließ sich eine kleine Pforte öffnen. Dort hing eine Glocke, welche Mistress Tirelle einmal läutete. Die Tür öffnete sich. Eine schlanke Frau mit mürrischer Bittermiene trat ein. Sie war so bleich und scharfsichtig wie all die anderen Madenleute in dieser Stadt. Sie trug eine lange dunkelblaue Schürze über grauen Röcken und einer grauen Bluse.
»Mädchen«, sagte Mistress Tirelle. »Das ist Mistress Leonie. Sie wird dich im Nähen unterrichten.«
Und so begann die nächste Phase meiner Unterrichtung. Nun, da sie mir die Zügel angelegt hatten, war die Zeit reif, dass ich meine Tricks lernte.
Ich erhielt meine ersten wirklichen Prügel kurz darauf, weil ich Mistress Leonie zu widersprechen gewagt hatte. Sie war stiller und redete freundlicher als Mistress Tirelle, das weckte falsche Hoffnungen bei mir. Ich dachte, dass absolut jeder eine bessere Gesellschaft wäre als die Entenfrau mit ihrer Grausamkeit und ihren Wutausbrüchen.
Da ich bereits auf einfache Weise nähen konnte, lehrte mich Mistress Leonie verschiedene Arten von Stichen. Wir arbeiteten mit einer Auswahl von Nadeln und Fadenarten. Mit manchen hatte ich Schwierigkeiten. Eines Tages fauchte ich verärgert während des morgendlichen Unterrichtes.
»Was hast du, Mädchen?«
»Diese dumme Nadel rutscht mir immer aus den Fingern«, klagte ich. »Ich hasse den Seidenfaden.«
»Du tust, was dir gesagt wird.«
»Das ist doch dumm. Wir könnten einen leichteren Faden nehmen.«
Sie starrte mich an, dann ging sie zur Tür und rief Mistress Tirelle. Sie flüsterten kurz miteinander. Dann kam Mistress Leonie zurück und setzte sich mit einem Grinsen wieder.
Mistress Tirelle erschien einen Moment später mit einer Stoffrolle in der Hand. Sie war dick wie eine Wurst und wenig mehr als einen Fuß lang. »Zieh dein Kleid aus«, befahl sie.
Ich warf Mistress Leonie einen betretenen Blick zu. Ich wusste immer noch nicht, was geschehen würde, und war nur mit meinem Gefühl der Scham beschäftigt. Auch diese Vorstellung war neu für mich. Die Sprache meiner Entführer und die notwendige Kleidung hier im kalten Haus des Faktors so weit nördlich meines Geburtslandes hatten meine Scham gefördert.
Ich schlüpfte aus meinem Kleid und sah sie an.
»Dreh dich um, beuge dich nach vorn und lege die Hände auf die Knie.«
Mistress Tirell begann, mich mit der Seidenrolle auf die Hinterbacken und die Schenkel zu schlagen. Der Stoff war mit Sand gefüllt und nass gemacht worden. Er war schwer und verursachte härtere Schläge, als die flache Hand vermocht hätte. Ich schrie beim ersten Schlag auf, was mir einen geknurrten Befehl, still zu sein, und einen noch härteren nächsten Hieb einbrachte. Sie verabreichte mir zwanzig Hiebe. Dann sagte sie: »Zieh dein Kleid wieder an und mach weiter mit Mistress Leonies Unterricht.«
Sitzen tat sehr weh, aber ich wagte nicht, es zu zeigen. Als ich mit zitternden Fingern wieder nach Nadel und Faden griff, sah ich die Röte auf Mistress Leonies Wangen. Sie schien Freude zu empfinden.
Und so ging es weiter. Nun, da die Seidenrolle zur Hand war, wurden die Bestrafungen viel häufiger und geschahen aus unbedeutenderen Anlässen. Ich wurde geschlagen, wenn ich in meiner Sprache redete. Ich wurde geschlagen, wenn ich zu spät zum Unterricht oder zum Essen kam. Ich wurde geschlagen, wenn man mich für respektlos hielt, was nach Mistress Leonies Meinung wenigstens zwei oder drei Mal in der Woche der Fall war. Und wenn ich nur etwas vergaß,
Weitere Kostenlose Bücher