Der verborgene Stern
dichtes Haar. „Vorhin, zu Hause, da …“
„Ich weiß.“ Er zeichnete mit der Zunge die Konturen ihres Ohrs nach. „Da hätte ich mit dir schlafen können. Meinst du, das habe ich nicht gemerkt?“ Jetzt ließ er die Lippen über ihren Hals wandern. „Deswegen sind wir hier und nicht zu Hause. Du bist noch nicht bereit für das, was wir beide wollen.“
„Das ergibt keinen Sinn.“
„Wer zum Teufel interessiert sich für den Sinn?“ Er legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. „Wir sind zusammen. Hier.“ Und dann küsste er sie, bis das Blut in ihren Adern zu kochen begann. „Es kann wild sein.“ Er knabberte an ihrer Unterlippe, bis sie fast so weit war, vor ihm auf den Boden zu sinken. Dann strich er leicht mit der Zunge darüber. „Oder sanft.“ Er wirbelte sie herum, zog sie wieder in seine Arme. „Es kann einfach Spaß machen. Was immer du willst.“
Sie hatte die Hände auf seine Schultern gelegt. „Ich denke … ich denke, am sichersten ist das mit dem Spaß. Für den Anfang.“
„Dann lass uns Spaß haben.“ Er lächelte und wirbelte sie erneut ein paarmal herum. Seine Augen leuchteten auf, als sie in Lachen ausbrach.
„Du hast Unterricht genommen!“, rief sie atemlos.
„Sweetheart, ich habe öfter Foxtrott getanzt, als mir lieb ist, aber ein paar Schritte sind tatsächlich hängen geblieben.“
„Foxtrott? Mit weißen Handschuhen und Fliege?“
„So in der Art.“ Er strich über ihre Taille, weiter nach oben und berührte kurz ihre Brüste.
Plötzlich prallte sie gegen einen muskulösen Glatzkopf mit Nasenpiercing und aufreizendem Lächeln. „Tut mir leid“, begann sie, brach dann aber ab, als der Fremde sie packte und nach rechts wirbelte, hinein in eine Gruppe Tänzer, die sie für Sekunden aufnahmen in ihren gemeinsamen Rhythmus. Schließlich wurde sie lachend wieder in Cades Arme geschoben.
„Das macht Spaß!“ Es war elementar, befreiend, beinahe heidnisch. „Ich tanze!“
Ihr Gesicht leuchtete.
Cade grinste. „Sieht so aus.“
Sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, in dem aussichtslosen Versuch, sich etwas Luft zuzufächeln. „Es gefällt mir.“
„Dann war das nicht dein letztes Mal.“ Die Lautstärke der Musik wurde ein wenig gedämpft, der Rhythmus verlangsamte sich zu einem gleichmäßig dröhnenden Beat.
„Na also, hier haben wir was Langsames. Jetzt kannst du dich unauffällig an mich ranmachen.“
„Ich glaube, das habe ich bereits getan.“
„Komm schon, komm näher …“ Er schob ein Bein zwischen ihre Schenkel, während er eine Hand über ihre Hüfte gleiten ließ.
„Oh Gott.“ Ihr Bauch füllte sich mit wild flatternden Schmetterlingen. „Wir müssen ein weiteres Gebot gebrochen haben.“
„Ja, mein Lieblingsgebot.“
Die Melodie war zugleich verführerisch und sentimental, ihre Stimmung veränderte sich gleichsam mit der Musik. Aus Unbeschwertheit wurde Sehnsucht. „Cade, was tun wir hier? Es ist nicht vernünftig.“ Und doch stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um seinem Gesicht näher zu sein.
„Lass uns unvernünftig sein. Nur für diesen einen Tanz.“
„Es kann nicht funktionieren“, murmelte sie an seinen Hals.
„Psst. Es funktioniert, solange wir es wollen.“
Für immer, dachte sie, und klammerte sich an ihn. „Ich bin kein unbeschriebenes Blatt, weißt du. Das Blatt ist nur vorübergehend verschwunden. Und vielleicht gefällt keinem von uns, was wir zu lesen bekommen, wenn wir es finden.“
Er konnte sie riechen, fühlen, schmecken. „Ich weiß alles, was ich wissen muss.“
Sie rückte ein wenig von ihm ab. „Aber ich nicht. Ich nicht.“ Und als sie sich ganz aus seinen Armen löste und durch die Menschenmenge von der Tanzfläche verschwand, versuchte er nicht, sie aufzuhalten.
Sie rannte auf die Toilette, wollte einfach nur kurz allein sein und wieder zu Atem kommen. Sie durfte nicht vergessen, dass ihr Leben – sosehr sie es sich auch wünschte – nicht eben erst begonnen hatte. Dass sie mehr war als die Frau, die in ein unordentliches kleines Büro geplatzt war und sich Hals über Kopf verliebt hatte.
Die Toilette war fast genauso überfüllt wie die Tanzfläche. Fremde Frauen brachten vor den Spiegeln ihr Make-up in Ordnung, sprachen über Männer, beschwerten sich über andere Frauen. Es roch nach Haarspray, Parfüm und Schweiß.
Bailey beugte sich über eines der kleinen Waschbecken und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Da hatte sie also in einem überfüllten
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