Der verborgene Stern
hatte.
„Du hast Fragen.“ Sie stellte den Tee auf den Tisch. „Und du stellst sie nicht, weil du befürchtest, ich könnte zusammenbrechen. Aber das werde ich nicht. Ich wäre froh, wenn du sie mir stellen würdest, Cade. Das wäre leichter für mich.“
„Setzen wir uns.“ Er schob ihr einen Stuhl zurecht, dann rührte er in seiner Teetasse. „Lass uns überlegen, was wir haben. Der Raum, von dem du sprichst, hat einen grauen Teppich, ein Fenster und einen Tisch in der Nähe der Tür. Außerdem gibt es eine Tischlampe. Wie sieht der Tisch aus?“
„Es ist ein Bibliothekstisch. Aus Zitronenholz, George III.“ Klirrend stellte sie ihre Tasse ab. „Oh, das war clever. Ich habe nicht erwartet, dass du mich etwas über den Tisch fragst. Ich hab gar nicht nachgedacht, die Antwort war sofort da.“
„Konzentrier dich auf den Tisch, Bailey. Beschreib ihn mir.“
„Ein wunderschönes Stück. Die Platte ist aus Rosenholz mit Einlegearbeiten aus Buchsbaum. Auf der einen Seite befindet sich eine große Schublade, hinter der sich Regale verbergen. Sehr schlau. Die Griffe sind aus Messing, alles ist auf Hochglanz poliert.“ Ratlos starrte sie in ihre Tasse. „Ich klinge wie eine Antiquitätenhändlerin.“
Nein, dachte er, nur wie jemand, der schöne Dinge liebt. Und diesen Tisch sehr genau kennt. „Was befindet sich auf dem Tisch?“
„Die Lampe, ebenfalls aus Messing, mit einem grünen Glasschirm und einer altmodischen Kette zum An- und Ausschalten. Außerdem Papiere, ein ganzer Haufen Papiere. In der Mitte eine lederne Schreibunterlage und ein kleines Kästchen für lose Steine. Darin sind Smaragde, grasgrün, verschieden groß und geschliffen. Außerdem liegen da eine Juwelierlupe und eine kleine Messingwaage. Ein Glas, Baccarat Kristall, mit Whiskey und Eis. Und … und das Messer …“ Ihre Kehle schnürte sich zu, doch sie zwang sich, weiterzusprechen. „Das Messer ist da, geschnitzter Griff, gebogene Klinge. Es ist ziemlich alt.“
„Sitzt jemand am Tisch?“
„Nein, der Stuhl ist leer. Ein dunkler Lederstuhl. Er steht weiter hinten am Fenster. Ein Gewitter.“ Ihre Stimme zitterte. „Es gibt ein Gewitter. Blitze, strömender Regen. Sie schreien sich über den Donner hinweg an.“
„Wo sind sie?“
„Vor dem Tisch, sie schauen einander an.“
Er schob die Tasse zur Seite, damit er ihre Hand nehmen konnte. „Was sagen sie, Bailey?“
„Ich weiß nicht. Irgendwas über Geld. Er will das Geld nehmen und das Land verlassen. Es ist ein schlechtes Geschäft. Viel zu gefährlich. Sein Entschluss steht fest.“ Jetzt konnte sie die Stimmen hören, harte, hasserfüllte Sätze.
Hinterhältiger Dreckskerl.
Wenn du den Deal mit ihm machen willst, bitte. Ich bin draußen.
Wir machen es zusammen. Du ziehst jetzt nicht den Schwanz ein!
Bailey ist schon misstrauisch. Sie ist nicht so blöd, wie du glaubst.
Ich lasse dich bestimmt nicht einfach so mit dem Geld verschwinden …
„Er schiebt ihn von sich. Sie beginnen zu kämpfen. Es macht mir Angst, wie sehr die beiden sich hassen. Ich weiß nicht, wie sie das können, nachdem sie sich so ähnlich sind.“
Sie sollte nicht wieder durchleben, was als Nächstes geschah, deswegen hakte er nach: „Inwiefern sind sie sich ähnlich?“
„Das gleiche Gesicht. Die gleichen Augen, dunkle Augen, dunkles Haar. Alles. Wie ein Spiegelbild. Selbst ihre Stimmen klingen gleich. Sie sind ein und dieselbe Person, Cade. Aber wie kann das sein? Vielleicht stimmt das alles gar nicht, und ich habe nicht nur mein Gedächtnis, sondern auch meinen Verstand verloren.“
„Ganz einfach, Bailey. Es ist doch offensichtlich.“ Sein Blick war ernst. „Es sind Zwillinge.“
„Zwillinge?“ Alles in ihr wehrte sich gegen diese Vorstellung. Sie konnte nur mit dem Kopf schütteln, und sie schüttelte ihn, bis die Bewegung so heftig wurde, dass es an Verzweiflung grenzte. „Nein, nein, nein.“ Das konnte sie nicht akzeptieren. Würde sie nicht akzeptieren. „Nein, das ist es nicht. Das kann es nicht sein.“
Abrupt stieß sie sich vom Tisch ab, der Stuhl schabte über den Boden. Sie nahm ihre Tasse und trug sie zur Spüle. „Es war dunkel. Ich weiß nicht, was ich gesehen habe.“
Cade schloss daraus, dass sie nicht wissen wollte, was sie gesehen hatte. Und er wollte nicht riskieren, den Analytiker zu spielen, bevor sie sich nicht wieder gefasst hatte. „Lassen wir es für heute gut sein. Das war ein harter Tag für dich, du musst dich ausruhen.“
„Ja.“ Sie
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