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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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Augen … Nein, zu viele. Zu rosig . Die kleinen Ungeheuer werden am Ende geradezu erwarten ,ewig zu leben. Ich überlasse dir fünf. Oder, wenn du damit einverstanden bist«, fügte er hinzu und funkelte mit den Augen, »könnten wir die Sache mit einem bezaubernden kleinen Fluch würzen.«
    »Ich habe nichts für deine Flüche übrig«, antwortete Estella schaudernd und fügte nach einer Pause hinzu: »Acht.«
    »Acht?«, spöttelte Vasudev. »Nein, ich glaube nicht. Heute nicht. Du kannst fünf bekommen, oder du musst mir einen kleinen Spaß zugestehen.«
    Estella wurde schwer ums Herz. Manchmal war Vasudev in dieser trotzigen Stimmung, und da konnte sie sich heute, morgen und übermorgen dagegen auflehnen, er würde stur bleiben, bis er seinen Spaß bekam. Leider wusste sie nie, welche Formen dieser »Spaß« annehmen würde. Vielleicht würde er ihr beim Feilschen ein paar Kinder zusätzlich anbieten, doch nur unter der Bedingung, dass ihnen gespaltene Schwänze wuchsen oder sie sich niemals verlieben könnten oder jede Nacht ihres restlichen Lebens schreiend aus dem Schlaf aufschrecken sollten. Ihm mangelte es nicht an der notwendigen Fantasie für solche »Späße«.
    Sehr, sehr müde fragte Estella: »Was hast du denn im Sinn?«
    Vasudev lachte und ließ die kleinen Beine hin und her baumeln. Er erreichte kaum den Boden mit den Füßen. »Ich sag dir, was ich im Sinn habe. Du kannst deine zehn Kaschmir-Bälger haben … umsonst …«
    »Umsonst?«, hakte Estella nach. Keine Seele bekam sie je umsonst. Für jedes Kind, das sie rettete, musste sie sich auf einen Handel einlassen. Denn das war die dunkle Seite ihres Werks, zu entscheiden, wer anstelle der Kleinen sterben sollte, und stets führte sie eine aktuelle Liste von schlechten, bösen Menschen, von der sie wählen konnte. Ganz oben auf dieser Liste standen gegenwärtig ein Sklavenhändler im Aravalligebirge und ein Hauptmann in Kalkutta, der seinen Burschen zu Tode geprügelt hatte, nur weil seinem Pferd ein Hufeisen abgefallen war. Herzanfall, Ertrinken oder ein Sturz vom Pferd: Solch ein Ende blühte diesen Kandidaten auf der Liste. Estella bestand stets auf einem schnellen Tod, selbst bei jenen, die ewige Qualen verdient hätten.
    Dieses nicht ganz einfache Amt übte sie aus, seit sie als junge Frau zur Witwe geworden war und ganz allein den Weg hinunter in die Hölle gefunden hatte, wie der Orpheus aus der Mythologie. Allerdings hatte sie nicht wie er einen dreiköpfigen Hund bezirzt und Persephone mit einer Lyra bezaubert, denn Estella war es nicht möglich gewesen, so wundervolle Musik zu spielen, um Yamas Mitgefühl zu erregen. Er hatte ihr denn auch den jungen Ehemann nicht zurückgegeben, um ihn zurück in die Welt zu führen, sondern sie stattdessen mit dieser Aufgabe betraut. Es war eine schreckliche Arbeit: Erdbeben, Fluten, Seuchen, Mord. Unablässig glitten Estella Seelen durch die Finger, und ihr grollender Widersacher von Dämon nutzte jede Gelegenheit, um ihr die Arbeit zu erschweren.
    »Nein, ehrlich«, beharrte er nun. » Umsonst! Zehn Kinder dürfen überleben, und niemand anderes braucht für sie zu sterben! Du musst lediglich einen Fluch überbringen, den ich mir ausgedacht habe. Kennst du die Gemahlin des politischen Vertreters, diese Sängerin? Sie hat wieder ein Balg geboren, und heute soll die Taufe stattfinden. Bist du eingeladen? Nein? Na, das wird dich schon nicht aufhalten. Also, ich möchte, dass du Folgendes tust …«
    Er erzählte ihr seine Idee.
    Estella erbleichte. »Nein!«, entgegnete sie sofort entsetzt.
    »Nein? Nein? Nun, ja, wie wäre es damit? Ich gebe sie dir alle. Alle Kinder aus diesem Dorf.«
    »Alle …?«
    »Jedes von ihnen wird leben! Wie kannst du da Nein sagen?«
    Dazu konnte sie wirklich nicht Nein sagen, und er wusste das genau. Sie würde den Rest ihres Lebens Albträume wegen dieses Fluches haben, und auch das wusste Vasudev, und vermutlich gefiel ihm das am besten bei dieser Sache. Nach langem, unbehaglichem Schweigen nickte Estella schließlich.
    Vasudev lachte und kicherte, ging pfeifend davon und überließ Estella ihrer Arbeit. Sie war ganz blass geworden, holte ein Fläschchen aus der Tasche und trank ihre tägliche Dosis des Kräutertranks, mit dem Vasudev sie versorgte, damit sie nicht vom Höllenfeuer versengt wurde. Langsam trat sie in die Flammen. Als sie einige Zeit später aus ihnen herauskam, trug sie die Seelen zweier Säuglinge auf den Armen, und die älteren Kinder gingen wie im

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