Der verbotene Kuss
gekämpft, wo von bösen Fifinelle-Geistern behauptet wird, sie würden die Schützen kitzeln, sodass ihre Granaten das Ziel verfehlen. Und obwohl ich selbst an einer Haubitze stand und viele Granaten in die Nacht geschickt habe, wurde ich niemals von ihnen am Hals gekitzelt. Vielleicht haben die Fifinelles auf unserer Seite gekämpft und nur die Deutschen geplagt, und vielleicht verfehlte dadurch eine Granate ihr Ziel, die eigentlich für mich bestimmt war.
Oder vielleicht wird alles, was in der Welt geschieht, durch Menschen und durch den Zufall bewirkt, und Omen sind nur Ängste und Flüche sind bloße Einbildung. Ich habe niemals beobachtet, wie Gott ein Kätzchen rettete oder einem Jungen den Bauch mit Brot füllte, und er war auch nicht auf dem Schlachtfeld, um Gasmasken an die Männer auszugeben. Und wenn man ihn nicht einmal mit der Aufgabe belästigen darf, ein paar Kugeln mit den Fäusten abzufangen, und wenn er auch nicht nach unten greift und einen Berg davor bewahrt, auseinanderzubrechen, und wenn er in einem Jahr sogar vergisst, den Regen zu schicken und Millionen Menschen vor Hunger sterben müssen, wird er sich dann die Mühe machen, ein wunderschönes Mädchen in Jaipur zu verfluchen?
Vielleicht sitzt er gerade irgendwo und webt am Tuch der Vorsehung, aber ich habe schon zu viel Blut gesehen, um diesem Stoff noch zu vertrauen. Lieber würde ich einem Lied von deinen Lippen vertrauen als der Vorsehung, obwohl mir für beides der Beweis fehlt. Wenn der Tag kommt, an dem du endlich singen wirst, hoffe ich, in der Zuhörerschaft sitzen zu dürfen. Eigentlich hoffe ich, der einzige Zuhörer zu sein, sodass ich all deine Worte für mich behalten kann. Ich glaube, ich hatte vergessen, was Schönheit ist, bis ich dich gesehen habe, und jetzt giere ich nach dir wie damals der kleine Junge, der ohne Rücksicht die Brotportion verzehrte, die eigentlich dem Kobold zustand.
Dein verzauberter James Dorsey
Anamique erinnerte sich daran, auf welche Weise der hübsche Soldat sie im Garten angeschaut hatte, an die Weise, wie er sie gesehen hatte, und sie errötete und musste sich auf die Lippe beißen. Sie steckte den Brief wieder in ihr Tagebuch, doch einen Moment später zog sie ihn wieder heraus und las ihn erneut.
In der folgenden Nacht warf sie sich unruhig hin und her, erwachte mehrmals aus lebhaften Träumen, lag mit aufgerissenen Augen und klopfendem Herzen da und lauschte, ob ihre Stimme noch im Raum nachhallte. Einmal ging sie sogar zur Zimmertür ihrer Schwester und legte das Ohr daran, bis sie deren Atem hörte und sicher war, dass ihr die Stimme nicht im Schlafe entflohen war und den gesamten Haushalt hingerichtet hatte. Sie hatte Angst, die Augen zu schließen, und so begann sie schließlich, einen Antwortbrief zu schreiben. Es handelte sich um ein einfaches Zitat von Rudyard Kipling, und es las sich folgendermaßen:
Östlich von Suez scheint die Vorsehung irgendwie zu versagen; die Menschen werden dort der Macht der Götter und Teufel Asiens überlassen; wenigstens tritt jene Vorsehung, die die englische Kirche lehrt, nur gelegentlich und auch dann nur sehr lahm in Tätigkeit, soweit es Europäer betrifft.
Nach dem Frühstück reichte sie den Brief dem Chaprassi, damit er ihn überbrachte.
James lachte, als er ihn las, glockenklar und überrascht. Er schrieb zurück und dachte sich ein Mittel aus, mit dem man die Teufel Indiens ganz leicht austricksen konnte, nämlich indem man nachts eine Untertasse mit Sherry für ihre Spione aufstellte, woraufhin die Mauereidechsen betrunken waren und vergaßen, ihren Bericht zurück in die Hölle zu bringen.
Auch dieser Brief wurde treu durch den Chaprassi überbracht, und Anamique antwortete noch am selben Tag und erzählte ihm, dass ihre Aja des Gauli Shastra mächtig war, der Wissenschaft, aus den Bewegungen und Spuren von Mauereidechsen Omen herauszulesen. Schüchtern fügte sie hinzu, dass sie außerdem einmal bei einem Astrologen auf dem Basar gewesen sei. Das hatte sie niemals zuvor jemandem anvertraut, und James fragte sie in seiner Antwort, welches Schicksal ihr denn geweissagt worden sei und ob nicht zufällig ein Soldat darin vorgekommen wäre?
Einige Tage lang ging es auf diese Weise hin und her, und langsam entdeckten sie die verschiedenen Seiten voneinander. Die Briefe wurden länger, und Anamiques graue Augen verloren ein wenig von dem gehetzten Schatten, den James in ihnen gesehen hatte. Ihm selbst wurde ein wenig leichter ums Herz, Schritt
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