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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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Glauben auf, dass dies ihr richtiger Name war. Erst später, nachdem Mihai ihr bei der Flucht geholfen hatte, fand sie heraus, was er bedeutete. Mihai hatte sie zu einem alten Mann in London gebracht – Yazad –, wo sie die Zeit bis zu Esmés Geburt verbringen und lernen sollte, wie Menschen leben, und Yazad weigerte sich, sie Izha zu nennen. Er erklärte ihr milde, dass das kein Name war, sondern ein Titel und bedeutete: »Milchopfer«. So habe die Königin all ihre Lieblinge genannt, eine nach der anderen. Yazad rief sie schlicht »liebes Mädchen« und wartete, bis sie einen eigenen Namen für sich gefunden hatte, und das geschah, nachdem sie lesen gelernt hatte. Sie entdeckte ihn in einem Gedicht in Yazads wundersamer Bibliothek. Das Gedicht lautete: »Ich bin die Feenkönigin Mab; die Wunder der Menschenwelt zu wahren, ist mein Amt«, und von dem Augenblick an war sie Mab.
    Doch zuerst war sie Izha gewesen und hatte der Königin gehört.
    Seit ihrem Aufbruch von Tajbel hatte Mab keine sterbliche Frau gesehen, die sich, was die Schönheit betraf, mit der Druj-Königin messen konnte. In ihrer Vollkommenheit glich sie einer Göttin, ihre Haut leuchtete golden, ihre Lippen waren wohlgeformt, ihr Gesicht war so makellos oval wie ein Cabochon, und die zarten Wangenknochen bildeten einen krassen Kontrast zu der lebhaften Wildheit ihres Blicks. Das schwarze Haar war weich wie das Fell, auf dem sie schlief, und ihr Fleisch fühlte sich kalt an wie Steine im Fluss. Selbst wenn sie Mab auf dem Arm hielt, die menschliche Hitze des Kindes schien nie auf das Eis ihrer Haut überzugehen.
    Offenbar hatte sie keinen Namen. Die anderen Druj nannten sie Sraeshta, »Höchst Wunderschöne«, und Rathaeshtar, »Kriegerin«, und Mazishta, »Größte«. Mab lehrte man, Ba’thrishva zu ihr zu sagen.
    Mutter.
    Später war es schwer einzugestehen, aber sie hatte die Königin damals bewundert, dieses große, wunderschöne Wesen, das sie auf der Hüfte und mit Leichtigkeit auf der Beuge des langen Arms trug. Sie liebte sogar ihre Augen und fand, sie ähnelten den blauen Edelsteinen aus dem großen milchigen Spiegel in ihrem Tabernakel der Spione. Mabs eigene Augen wirkten in diesem Spiegel irgendwie falsch, denn außer ihr hatte niemand braune, nicht einmal die niedrigsten Dienerinnen der Druj. Braune Augen gehörten zu Tieren und waren so wenig wertvoll wie Knöpfe aus Knochen oder Eulenkrallen an einer Lederkordel.
    Seit Mab denken konnte, hatte sie immer gewusst, dass sie keine Druj war. Sie hatte keine blauen Augen und keine kalte Haut. Sie konnte die Gestalt nicht wechseln, nicht fliegen und sich nicht unsichtbar machen. Sie wusste nicht, was sie war, aber sie nahm an, sie müsse ein Tier sein, wie eine der Katzen, die es überall in Tajbel gab oder wie diese Waldwesen – wenn auch ein seltenes und außergewöhnliches, denn die anderen ähnelten ihr nicht, und die Königin schien sie mehr zu schätzen als die übrigen. Jedenfalls eine Zeit lang.
    Sie sang: »Haar wie Feuer und Haut wie Schnee, Augen so braun wie ein Reh«, und sie küsste Mab auf die winzige Nase und atmete den Duft ihres Haars ein. Sie lehrte das kleine Mädchen zu tanzen, zu sticken, die Geige zu spielen und Kräuter zu einem Tee zu mischen, der für beständige Gesundheit sorgte. Sie kleidete Mab in seltsame, aber wunderschöne Kleider, und sie wob ihr verschlungene Blumenkronen für das Haar. In einem Sommer zeigte sie ihr, wie man die Schmetterlinge am Rande der Steilwand anlockte. Gemeinsam banden sie Blüten an ihre Leinen und warteten still, bis sich die Schmetterlinge darauf niederließen, um sie dann langsam, ganz langsam einzuholen. Und die Königin nahm sie auf die Finger und setzte sie Mab ins Haar, wo sie mit den Flügeln fächerten wie eine Krone aus lebendigen Blumen. Einmal fertigte sie ein Geschirr aus Hirschleder an und befahl ihren Dienerinnen, die Cithrim von Eulen anzunehmen und Mab hinauf in den Himmel zu tragen. So schwebte das kleine Mädchen auf Dutzenden lautloser Schwingen in die Höhe.
    Von dort oben konnte Mab ein einziges Mal einen Blick auf die große, weite Welt werfen. Tajbel war ein abgelegener Ort im Gebirge, so verborgen wie eine Goldader. Es war eine Zitadelle aus Türmen, die aus riesigen, dünnen Felsspitzen gehauen waren, die sich wiederum aus einer so tiefen Schlucht erhoben, dass die Echos sich in ihr verloren und nur Stille antwortete. Die Felsspitzen wurden durch Dutzende Brücken miteinander verbunden, und weitere

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