Der verbotene Kuss
wir so in unser Gespräch vertieft, dass wir vergessen haben, wie unschicklich die Situation war. Außerdem steht Miss Taylor solchen Dingen ziemlich nonchalant gegenüber.“
„So nonchalant, dass sie dir erlaubt hat, deine Jacke auszuziehen?“ Sara hatte sehr steif geklungen, ganz wie eine erschütterte Mutter. „Versuch nicht, mich zu täuschen, Ian! Ich weiß, wie ihr Männer denkt. Und falls du glaubst, ich würde zulassen, dass du unter meinem Dach einer Dame zu nahe trittst. . .“
„Es ist wirklich nichts Unschickliches geschehen, Lady Sara“, unterbrach Felicity hastig. „Ich weiß, der Schein trügt, aber . . .“
„Sie müssen Ian nicht in Schutz nehmen“, sagte Sara kühl. „Ich weiß, was er im Sinn hat.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Weißt du das wirklich?
Dann solltest du wissen, dass ich um Miss Taylors Hand angehalten habe.“
Schockiert richtete Sara den Blick auf Miss Taylor. „Stimmt das?“
„Ja“, bestätigte Felicity eilig. „Ich habe ihn jedoch nicht erhört. Wir haben darüber geredet, und das war alles. Das schwöre ich.“
Er unterdrückte ein triumphierendes Lächeln. Sie mochte annehmen, dass sie sich durch ihre Behauptung aus dieser misslichen Situation befreit hatte, doch sie kannte Sara nicht so gut wie er. Sara liebte es, Ehen zu stiften, und sowohl sie als auch Emily hätten ihn gern verheiratet gesehen. Von nun an würden sie auf seiner Seite sein, erst recht, wenn die Sache so aussah, als ob er sich vernünftig und Miss Taylor sich dumm benahm.
Wie hätte die Sache denn sonst aussehen sollen? Felicity hätte nie einigermaßen sinnvoll erklären können, warum sie ihn zurückgewiesen hatte, ohne preisgeben zu müssen, was sie über seine Beziehung zu Miss Greenaway wusste, und woher sie dieses Wissen hatte. Daher würde ihre Weigerung, ihn zu erhören, unerklärlich sein, und Sara hatte noch mehr Anlass, sich zu bemühen, sie mit ihm zusammenzubringen.
Sie hatte tatsächlich schon einen ihm vertrauten, gefährlichen Glanz in den Augen. „Sie haben Ian nicht erhört?“ „Nein.“ Felicity richtete den Blick von ihr auf die Countess of Blackmore. Als sie deren breites Lächeln bemerkte, spiegelte ihre Panik sich in ihrer Miene. „Das ist der Grund, warum ich einverstanden war zu helfen. Ich meine, Lord St. Clair. Wissen Sie, damit er eine Frau findet. Weil ich ihn zurückgewiesen habe. Er sagte, wenn ich ihn nicht heirate, müsste ich ihm helfen, und damit war ich einverstanden, und wir . . . wir haben uns einfach nur unterhalten. Mehr ist nicht passiert. Wirklich nicht.“
Sara warf dem Freund einen fragenden Blick zu. Er beantwortete ihn mit einem Lächeln. Der Ausdruck in ihren braunen Augen wurde finster. „Ich werde gleich unten mit dir reden, Ian. Zuerst möchte ich mich mit Miss Taylor unterhalten, und zwar unter vier Augen.“
„Natürlich.“ Er schaute Miss Taylor an, deren große Augen und Miene ihre Verwirrung ausdrückten. Wenn sie doch wüsste, was Sara jetzt mit ihr vorhatte! Er beneidete sie nicht, weil auch er schon einige Male den Versuchen der Freundin ausgesetzt gewesen war, ihm eine Frau zu beschaffen.
Dennoch empfand er den eigenartigen Wunsch, Miss Taylor zu versichern, dass er ihr Pseudonym nicht lüften werde. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und bemühte sich, sein Vergnügen, das er dabei empfand, nicht zu zeigen. „Um meine Verschwiegenheit und die meiner Freunde müssen Sie sich keine Sorgen machen. Ich bin sicher, sie können auch die Dienstboten dazu bringen, den Mund zu halten. Ungeachtet des früher am Abend geführten Gesprächs wird niemand über diese Sache mit jemandem reden, der als Klatschmaul bekannt ist, erst recht nicht mit Lord X. Ich versichere Ihnen, insbesondere er wird nichts erfahren. Ganz gewiss nicht von mir. “
Am Ausdruck in Miss Taylors Augen sah Ian, dass sie begriffen hatte. Das war er ihr schuldig. Er musste ihr Geheimnis wahren.
Sie war noch verwirrt, wenngleich ihm das nicht auffiel. Was bezweckte er mit dieser neuen Taktik? Er hätte diese Gelegenheit dazu benützen können, sie, Felicity, zur Ehe zu zwingen, doch das hatte er unterlassen. Warum nahm er Rücksicht auf ihren guten Ruf? Wieso war er bereit, ihre Geheimnisse für sich zu behalten?
„Wenn die Damen mich jetzt bitte entschuldigen würden“, sagte er und schlenderte den Korridor hinunter.
„Ich werde ihn nie begreifen“, äußerte Felicity kopfschüttelnd.
„Niemand von uns hat ihn je begriffen“, bemerkte
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