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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Zeitwäscherei.
    So äußerte Taqi denn auch die Vermutung, bei diesem architektonischen Element handele es sich um eine riesige Achse, die das ganze Geschiebe und Gedrehe an der Peripherie ankurbele. Daher nannte er es treffenderweise die Kurbelwelle. Ein breiter, sehr hoher, umlaufender Korridor gewährte Zugang zu den verschiedenen Bereichen. Nach Arkis Schilderung waren sie ausschließlich den gehobenen Beamten und Oros vorbehalten. Und natürlich seinen Narren.
    »Wir sind jetzt in der obersten Ebene. Die Asservatenkammer müsste direkt vor uns liegen«, sagte der Goldbär. Ungeduldig zappelte er in Lykos’ Nacken, um sein Reittier zur Eile anzuspornen.
    »Lass das!«, schnappte der Wolf.
    Bei der Asservatenkammer handelte es sich Arki zufolge um einen Raum, in dem alles eingeschlossen wurde, was der König für gefährlich hielt: widerspenstige Uhren, ein Perpetuum mobile, Spiegel, Steintafeln, die seine Machenschaften verrieten, und vieles mehr. Er selbst, der Bär, sei von Oros aus dem Gold gemacht worden, das er dort horte.
    »Im Kern war es zwar immer still, aber heute ist es mir fast zu ruhig«, sagte Thaurin argwöhnisch.
    Wir bewegten uns im Uhrzeigersinn durch den Gang, der mit kostbaren Metallen, Ziselierungen und Plastiken ausgestattet war. Auf einer weiß patinierten Leiste über dem Fußboden entdeckte ich das Mäanderornament wieder. Als mein Blick dem endlosen Band folgte, verirrte er sich in eine Nische zu meiner Linken. Darin stand auf einem Sockel eine große, menschliche Zinnfigur. Sie hatte die Hörner und Füße eines Ziegenbockes und dazu ein zottiges Fell. Pan, erinnerte ich mich aus meiner Zeit in Griechenland, Sohn des Hermes, Gott der Hirten und Lüstling, vor dem keine Nymphe sicher war. Hoffentlich war dieser Bock nur ein Dekorationsstück und nicht mechanisiert. Würde so eine Statue ebenfalls lebendig werden, wenn ich sie zufällig …?
    »Da rüber!«, flüsterte Thaurin, drehte sich um und lief zur inneren Wand des Korridorringes. Eilig führte er uns ein Stück in die Gegenrichtung zurück.
    Ich meinte, ein leises Stampfen und Mahlen zu hören, als ich hinter dem Automanten an der kreisenden Gebäudeachse stand. »Was ist los?«, erkundigte ich mich flüsternd bei ihm.
    »Ich habe ein Geräusch gehört. Ein ganz bestimmtes Geräusch. Wahrscheinlich die Wachen am Eingang der Asservatenkammer.«
    »Du und Lykos müsstet sie doch überwältigen können?«
    »Ich glaube, er hat uns etwas verschwiegen«, brummte der Wolf.
    »Das stimmt nicht«, zischte Thaurin. »Euch jedes und alles hier zu beschreiben, hätte euch nur unnötig verwirrt. Oder geängstigt.«
    Ein Grollen kam aus Lykos’ Kehle.
    »Thaurin, jetzt spuck’s endlich aus«, drängte ich. »Was wartet da auf uns?«
    »Wesen, gegen die sogar ich mir schwach vorkomme. Oros nennt sie seine Zehngliedrigen Pandinen. Ich habe das typische Klicken ihrer Skorpionfüße gehört. Sie sind Mischwesen wie ich. Selbst mir läuft es kalt den Rücken herunter, wenn ich nur an sie denke. Aus ihren Stacheln verschießen sie ein Gift, das jede Maschine auseinanderfallen lässt, so als würden sich sämtliche Nieten und Schrauben auflösen. Was es mit Lebewesen wie euch anstellt, darüber mag ich gar nicht erst nachdenken. Obendrein haben sie anstelle von Händen große Scheren, wie Krebse. Damit könnten sie dir mühelos den Kopf abknipsen …«
    »Ich glaube, ich habe dich verstanden«, flüsterte ich schaudernd. »Wir stehen auf verlorenem Posten. Diese … Pandinen sind uns haushoch überlegen. Das ist es doch, was du uns sagen willst, oder?«
    »Nicht ganz«, warf Arki mit piepsiger Stimme ein. »Gold ist gegen ihr Gift immun. Außerdem geht ihnen schnell die Spucke aus. Wenn sie zwei, drei Mal danebentreffen, dann ist ihre ätzende Suppe verschossen.«
    »Vergiss nicht ihre Zangen, kleiner Bär«, gab Lykos zu bedenken. »Damit halbieren sie dich mühelos.«
    »Da hat er recht«, räumte Arki ein.
    Ich starrte mit leerem Blick vor mich hin. Bis hierher war alles so gut gelaufen. Und jetzt das! Ich schüttelte den Kopf. »Wir müssen den Plan ändern, Freunde. Möglicherweise können wir die Pandinen irgendwie in die Flucht schlagen.«
    »In dem Fall würden sie schneller Verstärkung holen, als uns lieb sein kann«, sagte Thaurin.
    »Vielleicht finden wir ja das Weltenei in der Asservatenkammer …«
    »Und was dann? Sie werden uns nicht erlauben, es von hier wegzuschaffen.«
    »Deshalb müssen wir die Uhr sofort aufziehen«,

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