Der verbotene Schlüssel
, dachte ich einmal mehr. Inzwischen war ich in die Mitte des Raumes vorgedrungen und mein Blick fiel auf eine hüfthohe silberne Säule. Obenauf lag eine flache runde goldene Schale, im Durchmesser ungefähr eine Elle groß.
Und darin ruhte das Weltenei.
»Da ist es!« Ich flüsterte, als könnte ich es sonst verscheuchen. Vor Aufregung zitterte ich am ganzen Leib. Eilig näherte ich mich dem Gefäß. Das Ei wurde von irgendeiner Lichtquelle angestrahlt. Äußerlich war es unbeschädigt. Jemand schien es sogar geputzt und poliert zu haben. Auch der Schlüssel steckte noch drin. Unserer Rückkehr stand nichts …
»Mir fällt da gerade etwas ein«, krächzte ich mit belegter Stimme, mir wurde heiß und kalt. Dass ich nicht früher daran gedacht hatte!
Mittlerweile war ich umringt von den Gefährten. »Hat das nicht Zeit, bis alles im Lot ist?«, fragte Giovanni.
»Nein. Wir haben uns zwar drauf geeinigt, dass ich den Schlüssel drehe, aber woher soll das Ei wissen, wen es von uns in die Menschenwelt hinübernehmen soll?«
»Will denn jemand hierbleiben?«, wunderte sich der Spanier.
Taqi stöhnte. »Der Junge hat recht. Als er in Meister Grubers Werkstatt verschwand, sind wir zurückgeblieben …«
»… und haben uns wie einst Poseidonios mit der Kraft unserer Gedanken hierher versetzt«, beendete Giovanni die ihm erkennbar unerträgliche Belehrung seines Kollegen. »Wo ist das Problem?«
»Seid Ihr wirklich so beschränkt, Meister Torriano?«
»Worauf Meister Al-Din Euch offenbar hinweisen will«, warf Poseidonios begütigend ein, »ist die Unumkehrbarkeit der Gedanken , ein spirituelles Grundgesetz, das in der Weltenformel verankert ist.«
Giovanni sah ihn verständnislos an. »Davon höre ich zum ersten Mal.«
»Und wie können wir nun zusammen die Welten wechseln?«, erinnerte ich an das eigentliche Problem.
»Ganz einfach. Indem wir eine stoffliche Verbindung bilden.«
Verwirrtes Schweigen.
»Meister Poseidonios meint ein Band«, erklärte Taqi. »Eine Kette.«
»Wir fassen uns also an?«, vergewisserte ich mich.
Der Philosoph nickte.
»Warum sagt er das nicht gleich?«, maulte Giovanni.
Die mekanischen Gefährten hatten sich auffällig zurückgehalten. Nun ergriff Nullus das Wort: »Ich bleibe hier.«
Mein Kopf fuhr zu ihm herum. »Was?«
»Ich bin lange genug durch den Irrgarten der Zeit gewandert, um die Menschen zu kennen. Sie fürchten alles, was ihnen fremd ist. Lebendige Maschinen wären für sie nur Hexenwerk, das man zerstören muss.«
Giovanni ließ ein betretenes Räuspern vernehmen.
Taqi bedachte ihn mit einem dünnen Lächeln. »Wie war das noch gleich? Hatte nicht Eure Kirche das Wissen des Orients und der Antike dämonisiert, verbrannt und rigoros zerstört?«
»Nur das heidnische Teufelszeug.«
»Und wer hat darüber entschieden, was ins Feuer und was in die Bibliotheken gehörte? Oder welche Statuen zerschlagen …?«
»Das ist doch jetzt egal!«, beendete ich das kleinliche Gezänk der beiden und wandte mich erneut an den Ohnekopf. »Nullus, das kannst du mir nicht antun. Du musst mitkommen!«
»Ich denke genauso wie er«, verkündete nun auch Lykos.
Mein fassungsloser Blick wechselte zu dem Wolf.
Thaurin nickte zustimmend. »Sollte unsere Welt nach eurem Weggang je wieder in Schwung kommen, können wir manches verbessern.«
»Aber ohne mich wären sie aufgeschmissen«, brummelte Arki. »Das musst du verstehen, Theo.«
Sprachlos blickte ich von einem zum anderen und fühlte mich wie ein kleiner Junge, dem alle Spielkameraden wegliefen. Ich konnte ihren Entschluss nicht fassen.
Plötzlich hallte ein Donnern durch die Asservatenkammer. Sämtliche Köpfe fuhren zur Tür herum, die gerade von einem gewaltigen Schlag erschüttert worden war.
»Da klopft jemand an«, sagte Lykos unnötigerweise.
Arki warf die Ärmchen hoch. »Diese rachsüchtige Furie kann es einfach nicht ertragen, dass ein Goldbär sie ausgetrickst hat.«
Abermals erzitterte die Tür unter einem mächtigen Bumm! Das war nicht nur ein Automantengesäß, sondern ein richtiger Rammbock.
Poseidonios regte sich. »Es ist Zeit zu gehen, kleine Ameise. Lass uns die Kette bilden und dann zieh die Uhr auf.«
»Wir halten euch den Rücken frei«, versprach Thaurin.
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. »Kommt mit«, bettelte ich. »Bitte!«
»Nein, mein Freund. Du gehörst in deine Welt und wir in unsere.«
Mir kamen die Tränen. Ihre Entscheidung stand fest, das konnte ich in ihren jetzt so
Weitere Kostenlose Bücher