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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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lebendigen Augen sehen. Eilig verabschiedete ich mich von ihnen. Unterdessen wurde draußen weiter auf die Tür eingeschlagen. Ich streichelte über Arkis Goldkopf, kraulte Lykos am Hals, klopfte Nullus kräftig auf den Rücken und umarmte weinend Thaurin.
    Ein brachialer Hieb sprengte die Tür fast aus den Angeln. Die Pfosten wackelten und aus den Fugen rieselte Staub.
    »Lebe wohl«, sagte Thaurin traurig und zugleich voller Zuversicht. Hierauf zückte er sein Schwert und wandte sich dem Eingang zu. Die Deckung seiner Flanken übernahmen Nullus und Lykos mit dem Goldbären.
    Seufzend trat ich an die Schale mit dem Weltenei heran. »Meister Poseidonios, wollt Ihr die Uhr nicht aufziehen?«
    »Unsinn!«, antwortete er mit ungeduldiger Verärgerung. »Du hast doch erlebt, was passiert, wenn ich mich mit ihr befasse. Im besten Fall würde sie gar nicht erst in Gang kommen oder gleich wieder stehen bleiben, im schlimmsten könnte meine und deine Welt entzweigerissen werden. Jetzt mach schon, Junge! Wir haben keine Zeit.«
    Wie zur Bestätigung hallte ein weiterer Donnerschlag durch die Kammer. Einer der Türflügel sprang aus der oberen Angel.
    Ich griff rasch nach Giovannis Hand, der schnappte sich die von Taqi und jener wiederum hielt Poseidonios fest. Dann umfasste ich den Schlüssel mit Daumen und Zeigefinger … Und zögerte.
    Seltsam, grübelte ich. Warum hatte Meister Poseidonios eben zwischen seiner und meiner Welt unterschieden? War ihm Mekanis nach so langer Zeit im Labyrinth zur zweiten Heimat geworden? Seit unserem Wiedersehen hatte mich ein paar Mal das Gefühl beschlichen, er sei trotz der Augenbinde gar nicht blind …
    Der Gedanke wurde förmlich zerfetzt, als jäh die Tür aufsprang. Dreifach Gehörnte Automanten stürmten herein.
    Thaurin stellte sich ihnen in den Weg, was sie zum Innehalten zwang. Er hielt die Augen geschlossen, um bei den Kriegern keine Fehlfunktionen auszulösen. Gebieterisch drückte er die Brust heraus und hieb sich mit der Faust dagegen. »Ich bin T 147-1508, Kommandant der Leibgarde, und ich befehle euch umzukehren. Wir sind auf Geheiß des Königs hier.«
    Meine Gefährten in der Kette und ich standen stocksteif da.
    Einer der Automanten machte einen steifen Schritt nach vorn.
    »Wer seid Ihr?«, herrschte Thaurin ihn an.
    »Hauptmann T 147-3443. Kommandant, die Zehngliedrige Pandine M 666-4943 hat gesagt, bei der Asservatenkammer sei eine Verschwörung im Gange.«
    »Das stimmt. Sieist eine Verräterin. Habt Ihr sie festgenommen, Hauptmann?«
    Der Gardist rührte sich weder noch antwortete er. Offenbar drohte sein mechanisches Gehirn jeden Moment heiß zu laufen.
    Plötzlich hörte ich zu meiner Linken einen gebieterischen Ruf: »Zerstört den Automanten. Er ist ein Belebter.«
    Erschrocken zog ich die Hand vom Ei zurück, ließ auch Giovanni los und warf den Kopf herum. Wie fremd und kalt sich die Stimme anhörte! Trotzdem war sie unverkennbar aus dem Mund meines Meisters gekommen. Des Philosophen …?
    Nein, Oros hatte da gesprochen. Der sich hinter einer Maske verbergende Herrscher der Zeit. Seit dem Wiedersehen mit Poseidonios waren mir etliche Ungereimtheiten aufgefallen. So viele Warnzeichen! Wie hatte ich nur so dumm sein und sie ignorieren können!
    Weil der augenlose Gardehauptmann immer noch zögerte, streifte sich Poseidonios die Kopfbinde ab. Ein gleißendes Licht schoss aus seinen Augen, während er kreischte: »Tut endlich, was ich euch befohlen habe!«
    Geblendet von dem grellweißen Strahlen, riss ich den Arm vors Gesicht, fuhr zu meinen mekanischen Freunden herum und schrie: »Rettet euch, Thaurin. Das hier müssen wir allein durchstehen.« Ich wollte verhindern, dass sie ihr Leben für mich opferten.
    »Schenkt ihnen nichts, Kameraden!«, rief Thaurin nach kurzem Innehalten und stürzte sich mit gesenktem Gehörn auf T 147-3443.
    Der Kampf um die Asservatenkammer entbrannte mit voller Wucht. Mir tanzten Sterne vor den Augen, weshalb ich nur hörte, wie meine Gefährten den Gegnern mit Hufen, Zähnen, Schwert und Fäusten zusetzten. Mein Bangen um sie war nicht einmal das Schlimmste. Mit meinem trotzigen Aufbegehren hatte ich den Zorn des Königs gegen mich heraufbeschworen. Zur Strafe gab er mir eine Kostprobe seiner Macht.
    Als Erstes brannten meine Beine. Ich hatte das Gefühl, als füllten sie sich mit flüssigem Metall. Erschrocken versuchte ich, mit den Füßen aufzustampfen, um die Blutzirkulation anzuregen, konnte sie aber nicht mehr bewegen. Auch die

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