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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hinwegstolpern, ohne zu Fall zu kommen.
    Andora bog an einem Abzweig nach rechts ab.
    »Bist du sicher, dass wir noch richtig sind?«, keuchte Theo.
    »Vertrau mir.«
    Der Federwurm verschlang mit einem mahlenden Knirschen hinter ihnen die Gliederpuppe. Kurz darauf wählte auch er den rechten Tunnel. Sophia erkannte jetzt im Licht der Glut und des Funkenflugs, wie sich sein spiralförmiger Körper zusammenzog und streckte.
    »Da vorne ist es«, rief Andora.
    Sophia mobilisierte ihre letzten Kraftreserven. Nach etwa dreißig Schritten drehte sie sich abermals um, weil der Lärm in ihrem Rücken mittlerweile ohrenbetäubende Ausmaße angenommen hatte. Wenn der Federkörper an den Tunnelwänden entlangschabte, erzeugte er Funken und Wärme. Deshalb glühte er. Der Wurm würde sie jeden Moment eingeholt …
    »Hier geht es lang, Mylady.«
    Sophia fühlte sich am Rucksack gepackt und zur Seite durch eine Öffnung gezogen. Arki quietschte auf, weil er ins Dunkel der Tasche zurückplumpste. Ein rundes Schott, dick wie eine Tresortür, schwang herum. Lykos sprang im letzten Moment aus dem Tunnel heraus. Dann schloss sich die Klappe. Dahinter erscholl ein bedrohliches Geräusch. Der Wurm kreischte vorbei.
    Andora grinste. »Und die Moral von der Geschicht: Sag im Abfallrohr niemals Federwurm nicht.« Sie musste ihre Stimme heben, weil mit dem Weiterziehen des Schrottfressers keinesfalls Stille eingekehrt war.
    Die Gefährten standen jetzt nämlich in der Halle der Sieben Goldenen Sphären und darin spielte die nach ihnen benannte Musik – im engeren Sinne handelte es sich, wie Sophia inzwischen gelernt hatte, ja nur um ein harmonisches Miteinander von Klängen der diatonischen Tonleiter. Dem Geräusch nach ähnelte es dem Schwingen großer Metallröhren. Selbst wenn die sieben Sphären einmal gleichzeitig stehen blieben, um sich unmittelbar darauf in der Gegenrichtung weiterzudrehen, vibrierten die Halbkugeln weiter, und somit hörte auch die Musik nie auf.
    Die nach ihnen benannte Halle war rund und oben offen. Ihre Ausmaße überstiegen bei Weitem die des Audienzsaales oder der Eingangshalle. Schon weil die sieben Sphären so riesig waren, durfte sie gar nicht kleiner sein. So wirkte alles zwar kolossal, doch in den Proportionen ausgewogen. Dicht an dicht reihten sich an den Wänden schlanke Säulen, die den Himmel selbst zu tragen schienen. Sie sahen aus wie mit Goldpulver bestäubt. Das von oben einfallende Licht wurde von ihnen gleichsam weich gewaschen. Ansonsten spiegelte sich nichts darin. Auch der Boden war matt, ein Karomuster aus dunkler Bronze und seidigem Silber.
    »Ich sehe die Uhren«, rief Theo. Er griff nach Sophias Hand und zog sie mit sich zu einer oben abgeflachten, halb transparenten Kugel. Sie war dunkel wie Rauchglas und stand neben dem nur kniehohen Mauerring, der die monströse Sphärenapparatur umschloss. Auf der planen Kristallfläche lagen nebeneinander die zwei Messinggehäuse.
    »Sie ähneln sich wie ein Ei dem anderen«, brummte Lykos.
    Sophia nahm beide in die Hände und suchte nach der Markierung, die Doktor Unruh auf ihre Bitte hin hatte anbringen lassen. Am Boden der einen Uhr entdeckte sie einen winzigen Stern, den es auf der anderen nicht gab. »Das hier ist die Fälschung.« Sie ließ die Uhr über den Kopf hinweg in den Rucksack gleiten und hob die andere hoch. »Die da müssen wir aufziehen.«
    »Zum Glück hat Oros nicht den Schlüssel behalten«, sagte Theo. »Schnell, lass uns den Herrn der Zeit in einen langen Winterschlaf schicken. Bist du bereit, Sophia?«
    Sie nickte. Vor Anspannung zitterten ihre Hände, als sie den Schlüssel mit Daumen und Zeigefinger umfasste.
    »Kommt, Freunde, fassen wir uns an!«, rief Theo seinen Gefährten zu und breitete einladend die Arme aus.
    Thaurin schüttelte den Kopf. »Fängst du schon wieder damit an, Theo!«
    Der sah den Automanten verständnislos an. »Aber begreif doch! Sobald Sophia den Schlüssel gedreht hat, verschwinden wir. Kurz danach wird hier alles erstarren. Dann gibt es nichts, was ihr noch für Mekanis tun könnt.«
    »Unsere Welt hat sich schon oft verpuppt und ist nach einer Verwandlung wieder in neuer Gestalt geschlüpft.«
    »Thaurin hat recht«, sagte Lykos. Obwohl er nicht laut sprach, hob sich seine tiefe Stimme deutlich von der Sphärenmusik ab. »Die Welt der Menschen ist nicht der richtige Ort für beseelte Maschinen. Man würde uns dort nur Verachtung und Feindschaft entgegenbringen. Wenn wir hierbleiben, können wir

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