Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
stieg, um nach Hause zu reiten, da musste ich daran denken, wie Ihr hier in Eurer kalten Zelle sitzt und friert. Da habe ich beschlossen, Euch zu besuchen und ein wenig mit Euch zu leiden und zu büßen und mein Gewissen zu beruhigen, bevor ich mich dann nachher wohlig im heißen Bad räkele, mir mit Rosenöl die verspannten Schultern massieren lasse und mich mit einem fünfgängigen Abendessen und einigen Bechern Wein vom Marmarameer verwöhne, den mir Seine Majestät der Kaiser überlassen hat ...«
»Weiche von mir, Satan, und führe mich nicht in Versuchung!«, lachte ich vergnügt. »Ich bin halb erfroren! Ein heißes Bad klingt wirklich verlockend.«
Cosimo stellte sich neben das glühende Kohlenbecken. »Dieses Schreiben wurde gerade an der Klosterpforte für Euch abgegeben, als ich mit Fra Antonino im Kapitelsaal war, um mir Fra Angelicos Fresko der Kreuzigung anzusehen. Der Prior bat mich, es Euch zu geben. Es scheint dringend zu sein.«
Ich starrte auf das Siegel mit dem doppelköpfigen Adler und erkannte die Handschrift meines Bruders.
»Wenn Ihr den Brief in Ruhe lesen wollt, warte ich unten im Kreuzgang.« Cosimo wandte sich zum Gehen.
»Bitte bleibt und setzt Euch!« Ich räumte meinen Talmud von dem Stuhl neben meinem Schreibtisch. »Mein Sekretär hat den Brief geschickt. Gewiss geht es um eine wichtige Angelegenheit in meiner Kirchenprovinz, die keinen Aufschub duldet. Um alles andere würden sich meine Bischöfe kümmern, die sich in Ferrara aufhalten. Bitte entschuldigt mich einen Augenblick!«
Er ließ sich auf dem frei geräumten Sessel nieder und betrachtete stirnrunzelnd den Band des Talmuds mit Rabbi Avirams Kommentaren am Seitenrand. Natanael hatte mir den Talmud nach dem Tod seines Vaters geschenkt. Cosimo blätterte darin, ohne auch nur ein Traktat lesen zu können, während ich hastig Natanaels Brief überflog. Schließlich faltete ich ihn zusammen, warf ihn auf den Schreibtisch und fuhr mir über das Gesicht.
»Schlechte Nachrichten?« Cosimo legte den Talmud weg.
Ich nickte stumm.
»Was ist geschehen?«
»Das Konzil von Ferrara dauert schon viel zu lange«, seufzte ich. »In meiner Kirchenprovinz droht ein Aufstand der Gläubigen. Sie protestieren gegen die bevorstehende Kirchenunion und weigern sich, in griechischen Kirchen lateinische Gottesdienste zu feiern. Wenn ich das Unionsdekret unterzeichne, werde ich zum Verräter am orthodoxen Glauben. Das sind die Worte eines meiner Bischöfe.«
»Großer Gott!«, murmelte Cosimo betroffen.
»Nach dem Konzil werde ich nach Athen reisen müssen, um für Ruhe zu sorgen und die Kirchenunion durchzusetzen. Falls wir sie überhaupt noch zustande bringen.«
Ich war enttäuscht, denn ich würde mich nicht in mein Kloster zurückziehen können, um mich meinen Studien zu widmen und dann im Kreis meiner Liebsten in aller Seelenruhe zu sterben.
Wenn ich das Unionsdekret unterschrieb, worum mich der Kaiser in Ferrara so eindringlich gebeten hatte, konnte ich nicht gleich am nächsten Tag mein Amt als Metropolit von Athen aufgeben. Die Verantwortung ließ sich nicht so einfach ablegen wie die Mitra. Wenn ich schon gegen mein Gewissen handelte, den Verrat am orthodoxen Glauben beging und das Unionsdekret unterzeichnete, so konnte ich diesen Verrat nicht ungeschehen machen, indem ich einen weiteren beging und mich nicht zu meiner Entscheidung und ihren Folgen bekannte. Ich musste für einige Monate nach Athen reisen. Und vielleicht würde mir dann keine Zeit mehr bleiben für das, was ich von ganzem Herzen tun wollte.
Cosimo beobachtete mich. Die Kirchenunion war ihm sehr wichtig. Er wusste, dass Eugenius unter vier Augen mit mir sprechen wollte. »Ihr seid blass, Euer Seligkeit«, sorgte er sich. »Mein Sekretär berichtete, dass Ihr heute Nachmittag in den Palazzo della Signoria gekommen wart, um mit mir zu sprechen. Doch dann seid Ihr wieder gegangen, ohne um eine Audienz zu bitten. Deshalb bin ich hier. Ich wollte Euch zu einem heißen Bad und zum Abendessen in den Palazzo Medici einladen.«
»Ich komme gern.«
»Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«
Ich zögerte. Sollte ich mich ihm anvertrauen?
»Weshalb wolltet Ihr mich sprechen?«, hakte er nach, als ich nicht sofort antwortete.
Ich bat ihn, diskret Erkundigungen über den schwarzen Mönch im Kloster San Miniato einzuholen, der mich vor wenigen Stunden verfolgt hatte. Cosimo war beunruhigt, denn womöglich drohte nicht nur mir Gefahr, sondern auch seinem Freund Luca.
Und
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